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Ausstellungen

ZYKLON – REFLEXIONEN ZUR JAHRTAUSENDWENDE I

Erasmus Schröter

10. Feber 1993 – 5. März 1993

Erasmus Schröter (DE)

Schwerpunkt: ZYKLON – REFLEXIONEN ZUR JAHRTAUSENDWENDE 1993

In einer von einem Dezimalsystem bestimmten Gesellschaft sind Dezennien oder gar Millennien magische Zahlen, Schicksalsdaten gewissermaßen, die mystisch aufgeladen und meist als katastrophale Zäsuren gehandelt werden. Die FOTOGALERIE WIEN hat mit ihrer vierteiligen Ausstellungsserie Zyklon versucht, eine (teilweise intentionale) künstlerische Skizzierung des kommenden millenischen Datums zu leisten. Drei Personalausstellungen sowie eine Gruppenausstellung von Arbeiten junger StudentInnen an der Hochschule für angewandte Kunst und der Akademie der bildenden Künste in Wien (kuratiert von Birgit Jürgenssen und Herwig Kempinger) wurden präsentiert. Architektur, Krieg, Archiv, Zeit, Körper, Zeichen, multikulturelle Gesellschaft, Katastrophe sowie formal-ästhetische Aspekte bildeten dabei den thematischen Rahmen, der photokünstlerisch reflektiert wurde. (Carl Aigner)

War Buildings betitelt Erasmus Schröter, der die erste Ausstellung bestritt, seine Bildserie, die sich mit den Bunkerbauten entlang der Atlantikküste auseinandersetzt.

In Form von farbigen Lichtinszenierungen erfolgt eine ästhetische „Re-Inszenierung“ dieser (Be-)Drohungsarchitektur, die neue/andere Blicke auf Historisches bedeutet. Als materielle Manifestation eines kriegerischen aggressiven Willens implizieren sie die Katastrophe der Bunkermentalität, die „letale“ Hermetik der Ein- und Ausschließung, der Grenzziehung im Sinne der Vernichtung. Schröter greift damit eine historische Thematik auf, die angesichts der gegenwärtigen (neuen) Nationalismen eine immense politische Brisanz besitzt. (Carl Aigner)

Die Bunker entlang der Atlantikküste sind museale Architektur, Grabsteine des deutschen Traum(a)s und topografische Chiffre des modernen Krieges. Als monolithische Kolosse ragen sie heute noch aus den Dünen empor und lassen den Spaziergänger das logistisch-strategische Spiel zwischen Verbergen und Aufscheinen des Verbergens spüren. Ein Vierteljahrhundert nach Paul Virilios fotografisch-archäologischer Spurenlese des Atlantikwalls (Bunker Archéologie, deutsch: München 1992) hat Erasmus Schröter eine neue, extrem verfremdende Lektüre dieser perzeptiven Bunkerlandschaft unternommen.

In grellen, farblich gebrochenen Schattierungen ragen die memorialen Befestigungen der Abschreckung aus der Versunkenheit und der Verdrängung ihrer Geschichte hervor. Schröters Lichtinstallationen strukturieren diesen musealen Raum und verleihen ihm eine konstruierte Tiefe, aus der das Geschichtliche der Beton-Krypta herausscheint. Die War Buildings zeigen, daß die Fotografie, im Sinne Benjamins, weniger die Geschichte zu dokumentieren, als vielmehr sie „gegen den Strich“ zu lesen vermag. Das Licht als Träger der Zeit und als Maß der Geschwindigkeit wird mit Schröters raumgebendem, monumentalen und an die expressionistische Bühneninszenierung erinnernden Schattenwurf selbst zu einem Projektil, das ortlos die Architektur des Krieges in die Zeitgenossenschaft des Betrachters übersetzt. Diese Fotografien betreffen uns, sie sind von einem Blick erschlossen worden, dem die Architektur der Bunker als die Konstruktion einer medialen Beherrschung des Raumes erschienen ist.

Die Bunker stehen allegorisch für eine massive und für „die“ manifeste Repräsentation des Krieges; warum sollte man sie nicht als ein Manifest der Repräsentation (der Moderne) betrachten? Im Mai 1942 begann der Bau des Atlantikwalls, im Dezember waren die ersten vier großen Bunker, „Cyklopen“ genannt, fertiggestellt – 15000 Bunker sollten gebaut werden –, am 6. Juni 1944 waren sie in wenigen Stunden erobert, die Dissimulation entlarvt und die Repräsentation zerstört. Die War Buildings stellen ein konzeptionelles Projekt dar, dieser (der) Geschichte im zweifachen Sinn zu begegnen: in der fotografischen Darstellung der Ruinen des deutschen Faschismus und in der Belichtung der Gegenwart, in der das Geschichtliche „nur in der Ausblendung“ aufleuchtet. (Hubert von Amelunxen)