Soft opening und Katalogpräsentation:
Montag, 12. Oktober 2020, 17.00 Uhr
Einführende Worte: Ruth Horak, 19.00 Uhr
Künstlergespräch und Finissage: Samstag, 14. November, 19.30 Uhr
Hinweis: Open Studio, Günther Selichar:
14. + 15. November, 13.00–18.00 Uhr
Open Studio Days im Rahmen der Vienna Art Week 2020 www.viennaartweek.at
sponsored by: BMKOES; MA7-Kultur; Cyberlab; Gering Druck GmbH; Studio Christian Schepe; True Vue, Inc; Bildrecht Wien
Dank an: Museum der Moderne Salzburg; OÖ Landes-Kultur GmbH; private Leihgeber
WERKSCHAU XXV ist die Fortsetzung der seit 25 Jahren jährlich stattfindenden Ausstellungsreihe der FOTOGALERIE WIEN, in der zeitgenössische Künstler:innen präsentiert werden, die wesentlich zur Entwicklung der künstlerischen Fotografie und neuen Medien in Österreich beigetragen haben. Gezeigt wurde bisher ein Querschnitt durch das Schaffen von Jana Wisniewski, Manfred Willmann, VALIE EXPORT, Leo Kandl, Elfriede Mejchar, Heinz Cibulka, Renate Bertlmann, Josef Wais, Horáková + Maurer, Gottfried Bechtold, Friedl Kubelka, Branko Lenart, INTAKT – Die Pionierinnen (Renate Bertlmann, Moucle Blackout, Linda Christanell, Lotte Hendrich-Hassmann, Karin Mack, Margot Pilz, Jana Wisniewski), Inge Dick, Lisl Ponger, Hans Kupelwieser, Robert Zahornicky, Ingeborg Strobl, Michael Mauracher, PRINZGAU/podgorschek, Maria Hahnenkamp, Robert F. Hammerstiel, Sabine Bitter & Helmut Weber und Michaela Moscouw. Für die diesjährige Werkschau konnten wir Günther Selichar gewinnen.
NO MEDIA BEYOND THIS POINT – so lautet Günther Selichars Appell an sein Publikum, bewusst und kritisch den Einfluss von medienvermittelten Bildern bzw. gelenkten Informationen zu sehen. Mit Begriffen wie OBSERVING SYSTEMS oder EMBEDDED [journalist] legt Selichar Tags an, die den theoretischen Rahmen für seine Auseinandersetzung mit Phänomenen rund um die Massenmedien abstecken – unter ihnen Zitate von Heinz von Foerster, Jacques Derrida, aber auch der Satz aus Miguel de Cervantes Don Quijote: „… rechtschaffen blind muss der sein, der nicht durch ein Sieb schauen kann“, der sich über zehn Doppelseiten des 320. BILDER-Magazins zieht.
Wichtig ist Selichar neben dem „Was“ auch immer das „Wie“, d.h. eine Bildsprache, die auch visuell anziehend und „tricky“ ist. Die Tags etwa sind Makroaufnahmen von Bildschirmen und aus der Ferne gut lesbar. Mit abnehmender Betrachter:innen-Distanz verschwinden sie jedoch hinter den RGB-Bausteinen des Bildschirms, die sich in ca. 50-facher Vergrößerung am Höhepunkt ihrer Farbintensität präsentieren, während sie ursprünglich ein winziges, weißes Wort bildeten. Der Unterschied zwischen dem, was wir am Display sehen, und dem, was der Apparat während 120 Aufnahmen in 0,01 mm-Fokussierschritten gesehen hat, könnte kaum größer sein.
Ein Werkblock, der die Übertragung von Botschaften gänzlich verweigert, ist WHO’S AFRAID OF BLUE, RED AND GREEN?. Zahlreiche Variationen dieser Beschäftigung mit den Grundfarben der additiven Farbmischung sind seit 1990 entstanden und 2017 in einer umfassenden und mit internationalen Preisen ausgezeichneten Publikation des Verlags für moderne Kunst zusammengefasst worden.
Die in der Werkschau gezeigte von 2002–2003 ist eine der stringentesten: Mit Hilfe einer speziellen Software wurden Rot, Grün und Blau nicht nur in ihren „reinsten“ Zustand gebracht, sondern tatsächlich voneinander getrennt. Das Interesse am Detail und dessen Abstraktionspotential reicht in die 1980er-Jahre zurück. Durch ein Fulbright-Stipendium am Art Institute of Chicago 1984–1985 hatte Selichar die Gelegenheit, an einem Stereomikroskop zu arbeiten. Was eigentlich zur Kontrolle kleinster Schäden an historischen Fotografien gedacht war, funktionierte der damals 24-Jährige in eigener Sache um und reproduzierte Details eines in dicken schwarzen Versalien verwackelt geschriebenen Titels HOMMAGE À FRANZ KLINE/AARON SISKIND, sodass die Aufnahmen an die gestische Malerei Klines erinnern. Kline gehörte jener Generation von Künstlern an, die nach dem 2. Weltkrieg die Kunstgeschichte mitbestimmte und vom europäischen Kontinent in die USA geholt hatte. In den 1980er-Jahren ging zudem eine neue künstlerische Haltung von den USA aus, die gleichermaßen einen Kniefall vor der Übermacht dieser Künstlergilde machte und sie kritisierte: die Appropriation Art. Selichar griff diese postmoderne Art des Readymades auf und konnte so medien-, gesellschafts- und kunstkritische Inhalte mit einer ironischen Mehrdeutigkeit versetzen.
In Zeiten, in welchen Fotografien fast ausschließlich als JPEGs auf kleinen Displays konsumiert werden, ist eine Ebene im Werk Selichars besonders hervorzuheben: die Materialisierung der Fotografien in komplexen Produktionsschritten, mit High End-Reproverfahren und ausgewählten Materialien. Sie machen das Bild zu einem vieldimensionalen Werk, im Unterschied zum eindimensionalen JPEG am Bildschirm.
(textliche Betreuung: Ruth Horak)