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Ausstellungen Werkschau

WERKSCHAU X – BRANKO LENART

Photo Concept 1965–2005

14. Juni 2005 – 20. Juli 2005

Branko Lenart (SI)

Kataloge | Editionen |

Eröffnung: Montag, 13. Juni 2005, 19:00 Uhr

Einleitende Worte: Kurt Kaindl

Finissage und Werkstattgespräch: Dienstag, 19. Juli 2005, 19.00 Uhr


WERKSCHAU X ist die Fortsetzung der seit zehn Jahren jährlich stattfindenden Ausstellungsreihe der FOTOGALERIE WIEN, welche zeitgenössische KünstlerInnen präsentiert, die wesentlich zur Entwicklung der künstlerischen Fotografie und neuen Medien in Österreich beigetragen haben. Gezeigt wurde bisher ein Querschnitt durch das Schaffen von Jana Wisniewski, Manfred Willmann, VALIE EXPORT, Leo Kandl, Elfriede Mejchar, Heinz Cibulka, Renate Bertlmann, Josef Wais und Friedl Kubelka. Die WERKSCHAU X ist
 dem 40-jährigen künstlerischen Schaffen des Grazer Künstlers Branko Lenhart gewidmet.

Branko Lenart, der 1948 in Ptuj, Slowenien geboren wurde, 1954 mit seinen Eltern nach Österreich emigrierte und heute in Graz lebt, ist ein kritischer Geist mit politischem Engagement . Als Künstler wie auch als Mitinitator des „Artikel-V-Kulturvereins“ setzt er sich für die politischen und kulturellen Rechte der slowenischen Minderheit in der Steiermark ein. Lenarts Werk ist geprägt durch den stetigen Wechsel von Reportagefotografie – angesiedelt in den Bereichen von subjektiver Fotografie und subjektiver Topografie, in denen gesellschaftliche und politische Themen fokussiert werden – und konzeptueller Fotografie, in der Phänomene der Wahrnehmung und Bilderweiterung im Vordergrund stehen.

Die Ausstellung zeigt frühe Reportagefotografien der 1970er-Jahre sowie topografische und sozialdokumentarische Arbeiten der 1980er-Jahre, wie dem Millerton-Project, einem umfangreichen Fotoprojekt, einer Art soziologischer Studie von über 30 amerikanischen Mittelstandsfamilien. Desweiteren werden Arbeiten mit politisch-historischem Bezug der 1990er-Jahre gezeigt, hierzu gehört die ArbeitKaddisch, in der Lenart an die in zahlreichen Konzentrationslagern ums Leben gebrachten Grazer Juden erinnert. In seiner neuesten konzeptuellen Arbeit ManuScript greift Lenart die Verknüpfung von Schrift/Text und Bild verstärkt auf.

Die Werkschau beinhaltet einen Querschnitt aus ca. vierzig Zyklen aus vierzig Jahren. Die wichtigsten Serien/Portfolios, bestehend aus jeweils 16 bis 220, vorwiegend Schwarz-Weiß-Fotografien, sind hier repräsentativ vertreten.

Photo Concept (1965–2005) ist in sieben Werkgruppen gegliedert:

On the Road / Selfportraits / Über.Format

Subjektive Photographie/ Res Public / Diptychen Hand.Werk 

Alle Arbeiten sind authentische, nicht nachträglich manipulierte Fotografien. (Branko Lenart)

Alle Fotografie geht von der Sprache aus. Vierzig Jahre Fotogeschichte im Werk Branko Lenarts.
(…) Branko Lenart ist kein Fotograf, der das Kürzel „o.T.“ verwendet und die Betrachter auf Ihre Findigkeit und Kenntnis der Kunstgeschichte zurückverweist. In seiner Retrospektive auf ein 40-jähriges Schaffen findet sich keine Fotografie, die nicht einen Bildtitel und zumeist auch einen Serientitel trägt. Seine Bildtitel sind integrale Elemente der Arbeit. Nur in seinen dokumentarischen Fotografien begnügt er sich mit Namen, Orts- oder Zeitangaben. Die anderen Bilder und Serien besitzen Titel, die sich einer flüchtigen Lektüre widersetzen. Die Fotografie selbst mag schnell zu erfassen sein – der Bildtitel gibt auch dem geübten Leser eine Nachdenkpause auf. Branko Lenart verwendet dafür nicht nur poetologische Fachbegriffe wie „Kryptogramm“ oder „Anagramm“ sondern auch Prägungen, in denen er durch Interpunktion auf den ursprünglichen bildhaften Charakter der Worte verweist, wie Augen:Blicke, Hand.Werk oder ManuScript, die als moderne Erweiterungen der Sprachbedeutung zu sehen sind. Einige der neuen Arbeiten ab dem Jahr 2000 enthalten Texte auch als wesentlichen Teil des Bildraumes. Die Arbeit Hommage an M., Bordeaux, 2002 könnte exemplarisch für Branko Lenarts fotokünstlerische Entwicklung der letzten Zeit stehen. (…)

(…) Häufig wird dem Bild die Emotion, das spontane Erkennen zugeordnet; dem Text der Intellekt und die analytische Konstruktion. Das eine wird in einem Augenblick erfasst (dies hat sich ja auch auf die Vorstellung vom „Schnappschuss“ in der Fotografie übertragen), das andere gut geplant und zu recht geschliffen. Für die Fotografie Branko Lenarts scheint diese Einteilung nicht zu gelten. Obwohl er meist mit einer schnellen Kleinbildkamera arbeitet, sind selbst seine dokumentarischen oder reportagehaften Aufnahmen fremder Kulturkreise und Städte genau geplant und formal streng komponiert. Selbst Bilder, in denen die disparate Bewegung das zentrale Thema ist (wie etwa Ptuj, 1970) wirken bis in das letzten Detail konstruiert. So als hätte der Autor an der „Bildsprache“ wieder und wieder gefeilt, um auch den letzten Rest Zufall oder Ungenauigkeit aus der Aussage zu entfernen. Bei zahlreichen anderen Arbeiten wie bei den Selbstportraits oder Representig Reality ist die Konstruktion sogar Teil des inhaltlichen Anliegens. Branko Lenarts Fotografien lassen sich ohne analytischen Aufwand nicht lesen. Der Bildtitel gibt den entscheidenden Hinweis darauf, wie die Arbeit zu sehen ist. Bildinhalte werden durch medienreflexive Bezeichnungen verändert, der formale Aufbau der Fotos erhält durch den Titel eine weitere Bedeutung, die über das auf den ersten Blick sichtbare hinausgeht. )

So funktionieren Branko Lenarts Fotografien wie die Lektüre eines komplexen Textes: Das Motiv ist spontan zu erkennen, doch in der weiteren Betrachtung schleicht sich die Vermutung ein, dass der Bildsinn damit noch nicht entschlüsselt ist. Der Betrachter kehrt zurück zum Bild, zieht den Titel zu Hilfe und kann nach dieser Analyse erst die Bedeutung und die Beziehungen der Bilder zur Kunst- und Fotogeschichte entschlüsseln. Es sind Fotografien für den Intellekt und das Formempfinden, auch wenn sie sich fallweise als Reportagen oder spontane Schnappschüsse maskieren. Branko Lenarts Bilder öffnen sich der Analyse und der sprachlichen Zuschreibung, sie verweigern sich allerdings der flüchtigen und naiven Betrachtung. )

(textliche Betreuung: Kurt Kaindl)