Ausstellungsbeginn: Montag, 3. Mai, 15–19 Uhr in Anwesenheit der KünstlerInnen
Videodokumentation der Ausstellung mit einführenden Worten von Petra Noll-Hammerstiel und KünstlerInnenstatements in unserer Online-Cinemathek.
sponsored by: BMKOES; MA7-Kultur; Cyberlab
Es ist ein Phänomen der heutigen Zeit, dass das Leben von einem Zustand latenter Unruhe geprägt ist. Diese Stimmung hat sich als eine Art „(Hinter-)Grundrauschen“ in unserem Unterbewusstsein manifestiert – kontinuierlich präsent, diffus, unbestimmt. Sie resultiert aus einer permanenten, allgegenwärtig gefühlten Verunsicherung in einer vermehrt als unüberschaubar empfundenen Welt. Anhand von filmischen und fotografischen Raumuntersuchungen analysieren die KünstlerInnen, wie das Phänomen des Unruhezustands die Wahrnehmung von Wirklichkeit verschiebt. Einerseits konstruieren sie Räume durch digitale oder analoge Manipulationen. Es sind rätselhafte Szenarien, die beispielsweise aus der Verschmelzung von virtuellen mit physischen oder natürlichen mit filmischen Räumen entstehen. Andererseits finden sie Orte, in denen sich durch fotografische Verschiebungen des Kontexts oder farbliche und akustische Verfremdungen Realität und „zweite Realität“ surreal vermischen, oder skurrile Raumsituationen, in denen das bunte Leben der gegenwärtigen Welt auf eine dunkle Vergangenheit stößt. Fast alle Arbeiten haben auch ein hohes poetisches Potential, was die räumlichen Szenarien zusätzlich unfassbarer macht und die Erfahrung von Realität als etwas ganz und gar Subjektives definiert.
In dem SW-Kurzvideo Another State of Matter von Maximiliane Leni Armann, einer Fahrt durch aus 3-D-Programmen neu geschaffenen Räumen, herrscht – auch vom Sound her – eine dystopische Stimmung. In durch einfache geometrische Formen bestimmten künstlichen Szenarien tauchen nur Schwimmer aus der Dunkelheit auf und ab. Es ist eine Suche „nach dem beinahe unheimlichen Moment, in dem der virtuelle Raum subtil mit dem physischen Raum zu verschmelzen scheint“ – wie auch in der Fotoserie sitting on (…) mit nur diffus erkennbaren, dem virtuellen Raum entnommenen Menschen (Fotopapier wurde über den Computerbildschirm gelegt und belichtet) in einem unbestimmten Raum.
Viktoria Schmid zeigt den im CinemaScope-Format entstandenen Kurzfilm A Proposal to project in Scope. „Der neue Teil der „Proposials“-Reihe „(…) verleitet uns dazu, jenes Rechteck, auf das unsere filmischen Sehnsüchte projiziert werden, neu zu denken. Gefilmt auf 35-mm-Film im Verlauf eines Tages, umgeben von Dünen, Meer und Wäldern an der litauischen Küste, konfiguriert Schmid die Leinwand als weiße Fläche, auf der Sonnenlicht, Wind und Schatten ein betörendes neues Kinokunstwerk schaffen.“ (Neil Young, Vienna Shorts)
Die als großformatige Wandinstallation präsentierte Serie Schattenbelichtungen von Laura Sperl ist ohne Kamera, Dunkelkammer und Chemie entstanden. Das Fotopapier wurde direkt im Sonnenlicht belichtet. Als Vorlage für die Belichtungen dienten Zeichnungen von dem Bewegungsablauf eines Schattens, die auf Transparentfolie direkt im Schatten angefertigt wurden. Die Fotografien verblassten über einen Zeitraum von zwei Jahren (2018–2020), da kein Fixiermittel verwendet wurde. Der Verblassungsprozess wurde mittels digitaler Fotografie festgehalten. In Schattenbelichtungen ist das Ephemere von Raum, Zeit und Licht im Laufe eines Tages mittels Fotogrammen poetisch-abstrakt festgehalten.
Rudi Strobl zeigt Arbeiten aus seinem mehrjährigen dokumentarischen Fotoprojekt Dye (dt.: Farbstoff). Zu sehen sind „merkwürdige“ Räume, die man auf den ersten Blick nicht einzuordnen vermag. Tatsächlich handelt es sich um ehemalige Lagerhallen, verwaiste Wirtshäuser oder verlassene Gehöfte, die von Paintball-Spielern als „Farbschlachtfelder“ verwendet und dadurch ihres ursprünglichen Zwecks beraubt wurden. Strobl hat in erster Linie das Formale der Raumtransformationen interessiert: Dadurch, dass immer neue Farbschichten auf Orte und Objekte gelegt wurden, sind künstliche Welten mit eigener Realität entstanden. „Fast scheint es so, als würde der Fotograf die weitläufigen Landschaften eines gewaltigen Ölgemäldes durchwandern.“ (Peter Schreiner)
Die großformatige Fotoserie EXT.NOC. von Patrick Topitschnig zeigt menschenleere Orte in der Nacht mit Filmequipment und -settings außerhalb des eigentlichen filmischen Geschehens. Die sehr ästhetischen Fotografien setzen Beleuchtungskörper und technische Aufbauten, die für teilweise weit entfernte Filmszenen installiert wurden, dominant in Szene. Das Video Carusel zeigt einen in einer ehemaligen, später als Luftschutzbunker verwendeten Salzmine eingebauten Vergnügungspark. Trotz der Spielgeräte kommen Urängste auf, bedingt durch die unsichere, düstere Raumsituation, die bedrohlichen Stahlkonstruktionen, die surreal anmutenden Lichtobjekte sowie durch den Nachhall der ursprünglichen Verwendung. In beiden Arbeiten geht es um die Konstruktion von Realität im Film.
Mit Räumen zwischen Realität und Fiktion, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit setzt Doris Maximiliane Würgert erhebliche Irritationen. Sie untersucht die Wahrnehmung von vermittelter Wirklichkeit, wie in der auf einer literarischen Vorlage von Edward Bellamy basierenden Videoinstallation Rückblick aus dem Jahr 2030. Hierbei handelt es sich um eine visuell und farblich verfremdete, traumartig-zeitlose Darstellung eines Flughafenszenarios, hinterlegt mit bedrohlicher Musik und Zitaten aus Film und Literatur. Plötzlich fallen Schüsse und setzen spätestens jetzt Spekulationen über unerklärliche Vorgänge in Gang. Auch das neue Video n.o.T. beinhaltet Aspekte von Bedrohung, Zeit- und Orientierungslosigkeit, Flüchtigkeit sowie das Misslingen von sicheren Erklärungen.
Petra Noll-Hammerstiel für die FOTOGALERIE WIEN