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Ausstellungen

TEXT:BILD / BILD:TEXT III

INSPIRATION

24. November 2015 – 16. Jänner 2016

Carla Della Beffa (IT), Oliver Cornil (BE), Paul Drogla (DE), Thomas Garcia (AT), Rowena Hughes (EN), Sven Johne (DE), Corinne L. Rusch (GT)

BILDER | Kataloge | Schwerpunkt: TEXT:BILD/BILD:TEXT 2015

Eröffnung: Montag, 23. November um 19.00 Uhr
Einführende Worte: Annika Lorenz

Finissage und Katalogpräsentation TEXT:BILD / BILD:TEXT: Donnerstag, 14. Jänner um 19.00 Uhr

sponsored by: BKA Kunst; MA7-Kultur; Cyberlab, Bezirkskultur Alsergrund, Dank an Michael Goldgruber

Der Ausdrucksapparat des Menschen ist vielseitig. Eines seiner ursprünglichsten Artikulationsmittel – der Körper – wurde stetig durch immer abstrakter werdende Zeichensysteme ergänzt und in manchen Bereichen sogar durch diese ersetzt. Neben Bildern war und ist die Sprache, verbunden mit ihrer grafischen Form, eine der Hauptstrukturen der Kommunikation, Vermittlung und Darstellung. Daher ist die semiotische Untersuchung der spannungsvollen Wechselbeziehungen dieser beiden spezifischen Kodierungen ein wiederholt auftretendes Feld in der Kunst. Diese setzt sich mit dem gesellschaftlichen Umfeld, dessen Besonderheiten und ihrer eigenen Positionierung innerhalb dieser auseinander. Verbunden mit der Hinterfragung der medialen Spezifika in diesem Konnex, müssen die künstlerischen Arbeiten immer wieder erneut ausgelotet werden. Die FOTOGALERIE WIEN präsentiert in ihrem diesjährigen Schwerpunkt Text:Bild/Bild:Text künstlerische Arbeiten, die sich jenen komplexen Wechselbeziehungen und deren Bedingungen zuwenden, wobei durch das kuratorische Kollektiv in dieser dreiteiligen Ausstellungsserie das Hauptaugenmerk auf die Unterthemen Transformation, Symbiose und Inspiration gelegt wird.

Nach Transformation und Symbiose in Hinblick auf die gegenseitige Beeinflussung der Zeichensysteme Text und Bild, schließt der diesjährige Schwerpunkt mit der Thematik Inspiration. Die KünstlerInnen beschäftigen sich in dieser Ausstellung mit dem direkten Zusammenhang von Text- und Bildbeziehungen durch verschiedene Herangehensweisen. Neben klassischen literarischen Genres wie Gedichten, Märchen und Sagen stehen auch die Geschichten des täglichen Lebens im Fokus sowie die Frage nach der medialen Umsetzung und die sich daraus entwickelnden Auswirkungen auf die Narrationen und die Bilder. Durch die Interpretation, Reflexion und Übersetzung in differente Medien wie Fotografie, Video, Animationsfilm, Wandinstallation oder Skulptur kontextualisieren die KünstlerInnen diese neu bzw. laden sie mit weiteren Diskursen auf.

Auch in der Videoarbeit Petit Chaperon Rouge (Wolf-dating) (2009) von Carla Della Beffa dreht sich alles um die interpretative Umsetzung eines literarischen Themas. Wie in „Rotkäppchen“ der Gebrüder Grimm, trifft das Mädchen auch hier auf den bösen Wolf, der es auffrisst. Die Künstlerin orientiert sich jedoch im Speziellen an der Verfilmung von Charles Perraults’ “Rotkäppchen”, einer brutaleren Version des Märchens. Das Aufeinandertreffen der beiden Akteure erfährt auf medial-mehrschichtige Weise differenzierte narrative Umdeutungen. Die Überlagerung ermöglicht es, eine eigene Geschichte zusammenzustellen, die das kollektive Wissen der Betrachtenden nutzt, um sie direkt einzubinden. Das Quellenmaterial wird darin zur Grundlage weiterer Diskurse wie Essen, Sexualität und Rollenverteilungen. Die überlagernde Schrift ist damit die Intentionsgeberin, die das Bildliche mit einem bestimmten Inhalt verbindet oder diesen hervorhebt und zu einer neuen Lesart des Märchens anregt.

Olivier Cornils Arbeit Vladivostok (2010) vereint eine Zusammenstellung von Bildern differenter Reisen mit eigenen Textpassagen in einem Buchformat. Die Texte entstanden parallel zu den Aufnahmen und sind somit als eine Erweiterung zu diesen zu verstehen. Durch die fehlende Zuordnung vermitteln sie keinen die Einzelbilder erklärenden Inhalt, sondern unterstreichen eher eine subjektive Wahrnehmung in ihrer Momenthaftigkeit. Der einzige Hinweis auf eine Verortung ist der Titel – Vladivostok. Allerdings stammen weder die Bilder noch die Texte von dort, da Cornil selbst noch nie in dieser Stadt war. Damit ist selbst der Titel des Buches nicht mit dem Inhalt verbunden. Er steht als Symbol für die Neugier auf das Unbekannte, für eine subjektive Vorstellungskraft und lädt so den oder die BetrachterIn ein, sich seiner Reise anzuschließen.

Mit einer Figur der Mystik setzt sich auch Paul Drogla in seiner Arbeit Die Metamorphosen des Vampirs (2007–10) auseinander. Ursprung dieses Werkes ist das Gedicht „Die Verwandlungen des Vampir“ von Charles Baudelaire aus „Die Blumen des Bösen“. Mittels verschiedenster sich überlagernder Animationstechniken werden die beschriebenen Metamorphosen eines Vampirs anhand der Figur einer Femme fatale in Kürze durchexerziert. Das Spiel zwischen stereotypen Rollenklischees, deren Verwandlung und Auflösung, die Nähe zum Film Noir, die Gegenüberstellung von Schwarz und Weiß verweisen auf immer wiederkehrende Polaritäten, die in der Filmgeschichte auftreten. Nicht zuletzt ist das Video eine visualisierte Form einer subjektiven Lesart eines literarischen Textes, welche im klassischen Film ebenfalls immer wieder zu finden ist.

Eine Reduktion auf Interpretation und Aufhebung von Syntax und Grammatik wird auch in Thomas Garcias Arbeit Verzichte von der Liebe. Ein Bildband sichtbar. Das Ausgangsmaterial, ein Gedichtband von Erich Fried, durchläuft in seiner Digitalisierung einen Umdeutungsprozess. Die Bilddateien werden mittels eines OCR-Programmes einer automatisierten Texterkennung unterzogen, die daraus resultierenden Fragmente durch den Künstler neu interpretiert und im Video abwechselnd zwischen interpretiertem und fragmentiertem Gedicht vorgetragen. Dieser inhaltliche wie mediale Übersetzungs- und Deutungsprozess verdeutlicht die Differenz zwischen einer technischen und einer subjektiven Deutung von textuellen Fragmenten. Die Prägungen, die im Programm des Computers bzw. in der Entwicklung des Einzelnen eingeschrieben sind, werden hervorgehoben.

Rowena Hughes dekonstruiert in ihren Arbeiten Dipole Moments (2010), Logic in Practice (2012), Applications of Interferometry (2014), Glass (2013) und Magnetism (2013) alte wissenschaftliche Bücher, indem sie sie mit Zeichnungen, Fotografien oder gefundenen Bildern aus dem Internet in verschiedenen Druckverfahren überarbeitet. Anschließend werden die Seiten in ihrer Ursprungsform in den originalen Buchrücken eingesetzt. Die differenten Materialien und deren Überlagerung verweisen formal auf die instabilen Verbindungen von Texten und Bildern im Digitalen gegenüber dem Analogen. Die linguistischen Readymades heben zudem die ursprüngliche Leserichtung auf und erzeugen durch das Fragmentarische eine Räumlichkeit, die die Vieldeutigkeit des Mediums unterstreicht. Diese Verräumlichung und Haptik wird besonders in der Arbeit Undue Flexure (2015) deutlich, in der die Entwicklung vom lesbaren Inhalt zum kinetischen Potenzial und zur Objekthaftigkeit eine besondere Qualität offenbart.

Sven Johnes Werk Jutta (2014) hingegen befasst sich mit einer wahren Geschichte. Der Film spielt auf einer Südseeinsel; er basiert auf dem Leben des deutsch-brasilianischen Finanzunternehmers Eike Batista, der als Initiator lukrativer Öl- und Goldgeschäfte zum einst siebtreichsten Menschen der Welt wurde, aber letztlich an seinen Scheinprojekten in Brasilien scheiterte. Der biografische Mono-/ Dialog, den die Mutter mit der abwesenden Haushälterin führt, stellt die Handlungen des Sohnes in seiner positivistischen Scheinwelt einer realen der Mutter gegenüber. Diese Differenz wird durch die Zeichnungen im Film unterstrichen, die als Metapher für die Abkopplung der globalen Finanzmärkte von der Realität gelesen werden können. Nicht als Dokumentation, sondern als Interpretation eines vorgefundenen Themas angelegt, stellt Johne auch die Authentizität und den Beweischarakter des Mediums Film in Frage.

Corinne Ruschs Fotografien beschäftigen sich mit der Natursagenwelt verschiedener Länder. Die kurzen Erzählungen basieren auf fantastischen Ereignissen, die wie Berichte nach tatsächlichen Begebenheiten aufgebaut sind. In ihren Arbeiten sucht sie die real existenten Schauplätze der Geschichten auf, inszeniert Auszüge daraus interpretativ und visualisiert diese in Schwarz-Weiß, in Nebelstimmung, düster mit einem Hauch zur Mystik. In der formalen Umsetzung der fortlaufenden Serie, hier exemplarisch mit Arbeiten vertreten, die in der Schweiz entstanden sind, lässt sich die durch Schrecken erzeugte Urangst des Menschen erahnen, die die Sagen transferieren. Das Medium Text tritt in dieser Arbeit in den Hintergrund und öffnet die Bilder den Betrachtenden für ihre eigenen Narrationen.

(textliche Betreuung: Annika Lorenz)