Eröffnung: Montag, 11. Mai, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Annika Lorenz
sponsored by: BKA Kunst; MA7-Kultur; Cyberlab
Dank an: Galerie Winter, Wien; Camera Austria, Graz; Rhizom, Graz; Galerie Hilger, Wien; Galerie Mauroner, Wien und Salzburg; Bettina Kattinger, Wien.
In Kooperation mit der KUNSTHALLE WIEN im Rahmen von „Destination Wien 2015″ EXTENDED
Der Ausdrucksapparat des Menschen ist vielseitig. Eines seiner ursprünglichsten Artikulationsmittel – der Körper – wurde stetig durch immer abstrakter werdende Zeichensysteme ergänzt und in manchen Bereichen sogar durch diese ersetzt. Neben Bildern war und ist die Sprache, verbunden mit ihrer grafischen Form, eine der Hauptstrukturen der Kommunikation, Vermittlung und Darstellung. Daher ist die semiotische Untersuchung der spannungsvollen Wechselbeziehungen dieser beiden spezifischen Kodierungen ein wiederholt auftretendes Feld in der Kunst. Diese setzt sich mit dem gesellschaftlichen Umfeld, dessen Besonderheiten und ihrer eigenen Positionierung innerhalb dieser auseinander. Verbunden mit der Hinterfragung der medialen Spezifika in diesem Konnex, müssen die künstlerischen Arbeiten immer wieder erneut ausgelotet werden. Die FOTOGALERIE WIEN präsentiert in ihrem diesjährigen Schwerpunkt Text:Bild / Bild:Text künstlerische Arbeiten, die sich jenen komplexen Wechselbeziehungen und deren Bedingungen zuwenden, wobei durch das kuratorische Kollektiv in dieser dreiteiligen Ausstellungsserie das Hauptaugenmerk auf die Unterthemen Transformation, Symbiose und Inspiration gelegt wird.
Den Auftakt der Ausstellungstriologie Text:Bild / Bild:Text bildet die radikalste Umsetzung der Thematik: die Transformation. Die Transmedialität des klassischen Bildformates mit Schriftelementen bzw. der Sprache als solche ist ein immer wieder auftretendes Moment innerhalb der künstlerischen Auseinandersetzung. Die stärker werdende Reduktion auf das rein grafische Element der Buchstaben führt dabei zur Lingualisierung des Werkes. Durch diese Implementierung der visuellen Sprachfragmente in das Bild erfolgt ein Eindringen des Alltäglichen in die Kunst und ermöglicht eine Evokation bei den Betrachtenden, die durch solche vertrauten Strukturen auf sich selbst zurückverwiesen werden. Hierin liegt ein Moment der differenten Wahrnehmungs- und Rezeptionsebenen des Lesens, Sehens und somit auch der aktiven und passiven Rollenverteilung. In Verbindung mit dem Medium der Fotografie rückt vor allem die Wirklichkeitswahrnehmung in den Fokus, da gerade im digitalen Zeitalter die Verlinkung des Abbildes mit seinem Abgebildeten vermehrt verloren geht oder bewusst aufgelöst wird. Die De-, Re- und Konstruktion der gesellschaftlichen und individuellen Wirklichkeit rücken in den Mittelpunkt der bildnerischen Konzeption, sei es in formal-ästhetischer, medialer, semiotischer oder sozialkritischer Auseinandersetzung.
Jochen Höllers Arbeiten Gespräche zwischen Russell, Wittgenstein, Whitehead, Gödl, Cantor, Frege, einem Professor, einem Patient, Odysseus, Superman und Wonder-Woman (2013), Odyssee (2013) und Logic Comics – An Epic Search Of Truth/Bertrand Russell (2012) stehen exemplarisch für seine Arbeitsweise, die sich aus der Dekonstruktion und der Rekombination von Informationen zusammensetzt. Einzelelemente werden aus dem Zusammenhang herausgelöst, während der Kontext in den Hintergrund tritt, ohne dabei zu verschwinden, und bewirken durch eine Umordnung neue Denkanstöße. Die Fragmente aus Büchern oder Bildbänden erfahren durch ihre ornamentale Anordnung eine Verdichtung, die ihre Materialitätsverwandschaft hervorhebt und in ihrer Positionierung die kollektiven Gewohnheiten von Informationstransfers in Frage stellt.
Der Traum als utopischer Ort, imaginäres surreales Erlebnis, Verarbeitung von Alltagserfahrungen, des Unbewussten und dessen Deutung steht in Margret Kreidls literarischer Arbeit im Vordergrund. Durch die Fixierung in gedruckter Schrift macht Kreidl diese Formen visuell fassbar. Die Traumtücher, die in Zusammenarbeit mit dem Künstlerkollektiv Rhizom aus Graz entstanden sind, tragen die Gedanken vom Privat- in den Außenraum. Diese werden im Rahmen der Ausstellung an der Innen- und Außenfassade des WUKs präsentiert. In ihrem Kompendium der Träume Einfache Erklärung. Alphabet der Träume werden die Traumfragmente in Form von Prosastücken, Dialogen und Gedichten mit Interpretationsansätzen ergänzt. Im Kino der FOTOGALERIE WIEN werden daraus Auszüge als Hörlesung (Off-Stimme der Autorin) vorgestellt.
In der Arbeit Russian Night (2009) von Falk Messerschmidt erfolgt eine Schwerpunktverlagerung vom Bild auf die beschreibenden Untertitel. Durch seine nebelartige Konstitution referiert es zwar auf seine ursprünglichen Träger, die ohne Durchlicht gescannten Diaaufnahmen, aber die Repräsentation des Inhaltes wird einem differenten Zeichensystem übergeben. Die Bilder der Stadt Leningrad, die als solche nicht mehr existent ist, wurden geschwärzt und verbannt. Durch das bewusst fälschlich genutzte Reproduktionsverfahren wurde der Bildinhalt vereinheitlicht und verweist auf ein Unvermögen der Fotografie, Geschichtlich- und Zeitlichkeit in seiner Gänze festzuhalten. Indem die Beschriftungen die Rezipienten anregen, die inhaltiche Leerstelle durch subjektiv imaginäre Ergänzung aufzuladen, bezieht sich der Künstler auf das Medium selbst zurück.
Seit 2001 liegt Julie Monacos Schwerpunkt auf einer Untersuchung der Bildgenerierung innerhalb digitaler Softwaresysteme und deren Umsetzung in analoge Formen. Sie schließt damit an ihre vorherige Beschäftigung mit Zahl-, Zeitsystemen und Codierungen an. Im Zentrum der Arbeiten CS_02/4 S/W und CS_01/1 B2 S/W steht die Transformierung von computerspezifischer Sprache, die mit Hilfe fraktaler Algorithmen und Rendering in visuell fassbare Landschaftsoberflächen umgewandelt wird. Die so geschaffene, dramatisch inszenierte Hyperrealität referiert auf die Immaterialität der Bildinformation und auf die unendlichen Variationsmöglichkeiten einer aus binären Codes geschaffenen Welt.
Ulrich Nausner beschäftigt sich in seinen „Hypertext-Zeichnungen“ mit dem Format digitaler Textinformation. In den Arbeiten der Serien Untitled (definition) von 2013 und Untitled (selection) von 2014 wählt der Künstler jeweils einen Begriff mit verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten und kontextabhängiger Bedeutung aus. Die Resultate der Internetrecherche werden gesammelt, von spezifischen Webelementen gereinigt und auf die Schriftgröße von 1 pt verkleinert. Die vorgefundene Formatierung verändert sich und drängt den Text zu einzelnen Zeilen zusammen. Die so komprimierte Informationsmenge wird anschließend durch einen Pigment-Print in eine analoge Form übertragen. Die Minimierung verdichtet die Buchstaben zu einer unlesbaren grafischen Menge, die die inhaltliche Erfassung unmöglich macht und durch reine Zeichenhaftigkeit ersetzt wird.
Bastian Schwind erstellt mit Hilfe einer Schreibmaschine und Zeichenpapier getippte Landschaften, die fotografiert und anschließend auf Barytpapier kaschiert werden. In Landschaft_getippt 3 (2014) und Teststreifen (2014) schaffen die genutzten Wörter Assoziationsketten, differente Grauwerte, und kreieren durch ihre Positionierung im Werk eine schemenhafte Andeutung des Beschriebenen. Inhalt und Bildgeber in einem, bedingen sich beide und ermöglichen damit erst das Gesamtbild. Das so entstandene grafische System verweist in seiner Konzeption auf visuelle Informationen, verknüpft verschiedene medienspezifische Potenziale und spielt darin gleichzeitig auf seine Differenzen an.
Die für die Räumlichkeiten der FOTOGALERIE WIEN angefertigte Textinstallation ROCK DOES SOMETHING TO PAPER PAPER DOES SOMETHING TO SCISSORS SCISSORS DOES SOMETHING TO ROCK & SO ON & SO ON und die Collage DER DAS DIE (2015) von Lawrence Weiner greifen die vielschichtigen Bedeutungs- und Wertungsebenen kulturell wie geschichtlich geprägter Zeichensysteme – wie der Sprache, der Bilder und der Gestik – auf. Durch die Neukombination erfolgt eine Infragestellung ihrer Genealogie, Genderfixierung und vor allem ihrer Nutzung. Das referierte Spiel Stein Schere Papier steht hier stellvertretend als Versuchsanordnung, um immaterielle Sprache als generierendes, vermittelndes Element zu verstehen und die festgelegte Verwendung und die begrifflich fixierte Funktionalität von Materialien durch eine neue Zusammensetzung in Frage zu stellen.
Christina Werner beschäftigt sich in ihrer Arbeit Pipal mit postkolonialen Einflüssen im urbanen Raum der indischen Stadt Ahmedabad und dem damit verbundenen Moment der Irritation. Die zwölf gezeigten Snapshots beschreiben in textueller Form die flanierenden Bewegungs- und Blickabfolgen der Künstlerin, die auf einem von ihr vorgegebenen Weg entlang der im Bau befindlichen Promenade in Ahmedabad entstanden. Die minimalistischen Betonbilder – Promenade Nr. 1-6 – verweisen dabei unter anderem auf den Zwischenzustand der Architektur.
(textliche Betreuung: Annika Lorenz)