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TECHNIK & METHODE – KÜNSTLERISCHE PROZESSE DER BILDFINDUNG I

APPARATIVE KONSTRUKTIONEN

17. Mai 2011 – 11. Juni 2011

Philipp Fleischmann (AT), Martin Reinhart (AT), Michael Schuster (AT), Gebhard Sengmüller (AT), Konrad Strutz (AT)

Kataloge | Schwerpunkt: TECHNIK & METHODE – KÜNSTLERISCHE PROZESSE DER BILDFINDUNG 2011

Eröffnung: Montag, 16. Mai um 19.00 Uhr
Einleitende Worte:
Thomas Freiler

Experiment, Forschung, Erfindung, Untersuchung – das sind Stichworte des diesjährigen Schwerpunktes Technik & Methode – künstlerische Prozesse der Bildfindung, den das kuratorische Team der FOTOGALERIE WIEN in Zusammenarbeit mit dem Fotokünstler Thomas Freiler entwickelt hat. Heutzutage, wo der Wandel von der analogen Fotografie zur digitalen vollzogen zu sein scheint und die Fotografie in den Bereich des „Selbstverständlichen“ und „leicht Handhabbaren“ gerückt ist, treten vermehrt KünstlerInnen in Erscheinung, die eigene Apparaturen konstruieren, auf alte vorindustrielle Verfahren zurückgreifen und sich mit fotografischen Grundparametern auseinandersetzen. Die dreiteilige Ausstellungsserie fokussiert erfindungsreiche und unorthodoxe künstlerische Methoden und Prozesse der Bildfindung.

In der Eröffnungsausstellung stehen Apparative Konstruktionen im Mittelpunkt. Während das Interesse üblicherweise mehr auf die Bilder gerichtet ist, die durch Apparate (apparare: herrichten) entstehen, sind hier die Apparate selbst das Thema der künstlerischen Arbeiten: ihre Konstruktion sowie die Frage, wie ihre unterschiedlichen technischen Beschaffenheiten inhaltlich und ikonografisch bildgebend werden. Die hier versammelten fünf Künstler präsentieren sich als Kamerakonstrukteure, als Erfinder und Forscher, die Apparaturen bauen, um ganz spezielle künstlerische Vorhaben realisieren zu können.

Philipp Fleischmann hat für seine Arbeit Cinematographie eine Camera Obscura entwickelt, die 16-mm-Film nicht als Aneinanderreihung von Einzelbildern wie im Kino behandelt, sondern für ein in einem Zug entstehendes Bild verwendet. Diese Kamera ermöglicht aufgrund ihrer 360°-Konstruktion eine durchgehende und zeitgleiche Einschreibung der Umgebung. In der Kamera befinden sich zwei aneinanderliegende Filmstreifen, die sowohl die äußere als auch die innere Umgebung und somit auch den Apparat und die Bildproduktion selbst aufzeichnen. Diese durchgängigen, zeitgleichen Aufnahmen der Situation vermitteln in der Installation durch die Animation der filmischen Projektion die Wahrnehmung einer Kamerafahrt und repräsentieren doch einen filmischen Stillstand.

Martin Reinhart konstruierte im Laufe der Jahre unterschiedliche Apparaturen im Bereich des Bewegtbildes. tx-transform stellt die übliche Wahrnehmung eines filmischen Ablaufs auf den Kopf, indem die dafür entwickelte Apparatur Zeit- und Raumachse vertauscht. In welchem Maß Apparaturen und Methoden ihrer Anwendung filmische Inhalte generieren und damit selbst zu Bilderfindern werden, zeigen Projekte, die mit und für andere KünstlerInnen und FilmemacherInnen entstanden sind. Kurze Filmsequenzen, irritierende visuelle Déjà-vus, waren das Ergebnis einer Konstruktion für Christoph Brunners Film 3 Minuten, bei der viele Male dieselbe Rolle Film während der Aufnahme durch die Kamera lief. Die technische Realisierung eines Dolly Zooms (ein Kamerazoom, das mit einer Kamerafahrt synchronisiert ist) verflüssigt in Vertigo Rush von Johann Lurf den Raum und überantwortet diesen stufenlos der Abstraktion bis hin zu einem sich auflösenden Bild. In der Ausstellung sind erstmals parallel zu den Filmen auch die dafür entwickelten Apparaturen zu sehen.

Michael Schuster: Das Cover der Zeitschrift CAMERA AUSTRIA Nr. 33 + 34 zeigte 1990 eine Hasselblad mit Objektiven an allen vier Seiten und geöffnetem Schachtsucher: eine Art Symbol und Versprechen totaler Wahrnehmung. Das Objekt war Teil des Projekts „Alle haben Alles gesehen“ von Michael Schuster / Hartmut Skerbisch. Dass sich dieses Objekt bei näherer Betrachtung als eine sich selbst verhindernde Apparatur zeigt – da ihr die Filmebene fehlt, weil sie eben alles sehen will – ist ein in dieser Ausstellung gezeigtes Beispiel für die intelligente und teils ironische Methode, wie Michael Schuster Fragen nach Realität und Wirklichkeitskonstruktionen unseres mediendurchsetzten Zeitalters in räumlichen Inszenierungen und Installationen verhandelt.

Gebhard Sengmüller bezeichnet seine Apparatur A Parallel Image als medienarchäologische, interaktive Skulptur, als elektronische Camera Obscura: eine skelettierte Apparatur, der offensichtlich das Gehäuse, die äußere Form entfernt wurde – ein vermeintliches Abbild – das Modell eines komplizierteren Mechanismus, der auf seine wesentlichen Funktionen reduziert zu sein scheint. Und tatsächlich präsentiert diese Skulptur eine für apparative (mechanische, chemische oder elektrische) Bildproduktion signifikante Methode: das, was die menschliche Wahrnehmung schließlich als Bild dekodiert, wird aus ähnlich gestalteten Elementen zusammengesetzt. Mit dieser Apparatur wird die Beschaffenheit moderner Bildsysteme hinterfragt.

Acheiropoietron nennt Konrad Strutz schließlich seine spezielle Maschine zur Übertragung eines Raums in eine Ebene – in Anlehnung an die griechische Bezeichnung „Acheiropoieton“ für ein nicht von menschlicher Hand, sondern selbsttätig entstandenes Bild. Acheiropoietron ordnet jedem Bildpunkt eine genaue, orthogonal dazu liegende Stelle des Raums zu. Einem Scanner ähnlich, liest die automatisierte, programmierte Mechanik ihr Gegenüber Bildpunkt für Bildpunkt und Zeile für Zeile in einem Zeitraum von mehreren Stunden in digitaler Form ein.
Anders als in der herkömmlichen Fotografie werden dabei nicht Lichtstrahlen unterschiedlicher Winkel in einem Brennpunkt gebündelt und rund um einen Fluchtpunkt zu einem Bild geformt, sondern jede einzelne Stelle im Bild hat die Eigenschaften eines Fluchtpunkts.

(textliche Betreuung: Thomas Freiler)