Eröffnung: Montag, 9. Mai 2005, 19.00 Uhr
Carola Vogt & Peter Boerboom
Landschaften repräsentieren „das Natürliche“ – oder die Konvention des „als natürlich Erscheinenden“. Sie sind Projektionsfläche für alles Natürliche und gleichzeitig Umgebung für Gemachtes. Uns interessieren die Landschaften an der Nahtstelle zur Zivilisation. Vorwiegend hier finden sich Orte und Situationen, an denen die „schöne Landschaft“ bzw. die sie konstituierenden Idealvorstellungen mit den Ausläufern der städtischen Bebauung konfrontiert werden. Vor einem landschaftlichen Hintergrund befinden sich anonyme, oft unerklärliche architektonische Versatzstücke, die in die Vegetation eingebettet und mit ihr verwoben sind. Diese isolierten Bauten, die nicht in einem gewohnten städtischen oder architektonischen Zusammenhang stehen, zeugen vom erstaunlichen Gestaltungswillen des Menschen und den Gestaltungskonventionen einer Gesellschaft. Mit unserer fotografischen Arbeit wollen wir nicht dokumentieren, sondern zeichenhafte Bilder erzeugen. Die beiden Komponenten, Landschaft und Zivilisation, lösen sich auf in einem Schwarzweiß-Gebilde aus Linien und Flächen. Und dabei geben sie zu erkennen, was Landschaft immer auch gewesen ist: eine Konstruktion und eine Erfindung in der Kunst.
aus: Carola Vogt | Peter Boerboom, „Landschaften, Fotografische Arbeiten 1997–2005“ , Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2005
In ihrer Serie Through the Looking Glass fotografiert Karin Borghouts Orte. Ihre Sujets findet sie auf der Straße und an öffentlichen Plätzen, wie Tiergärten oder auf Spielplätzen. Ihre Bilder zeigen Fragmente der Wirklichkeit, an denen man normalerweise vorbeigeht, ohne ihnen Beachtung zu schenken.
Obwohl sich Borghouts eines dokumentarischen Stils bedient, haben ihre Fotografien eher einen traumhaften Charakter. Die Zweideutigkeit ihrer Bilder hängt von der präzisen Wahl des Bildausschnitts ab, der wiederum Spannung zwischen Wirklichkeit und BetrachterIn erzeugt. Die Bilder erwecken bei den BetrachterInnen Neugier, indem sie Rätsel aufgeben. Borghouts Fotografien weisen Referenzen zur Malerei und Installationskunst auf. Manche wirken wie theatralische Szenen oder nehmen skulpturale Dimensionen an. Der Natur wird eine spezielle Rolle in den Aufnahmen zugewiesen. Natur, die dem Menschen ausgeliefert und wie auf einer Bühne konstruiert ist. Es scheint, als ob alles zu einer künstlichen und konstruierten Welt gehören würde. Borghouts Fotografien sind ein Balanceakt zwischen Imagination und Wirklichkeit.
Veronika Hofinger
Art is by nature self-explanatory. We call it art precisely because of its sufficiency. (…) If the audience lives in the same time and culture as does the artist, and if the audience is familiar with the history of the medium, there is no need to append to art a preface or other secondary apparatus.
aus: Robert Adams, „Why People Photograph“, © Aperture, 1994
Laura Samaraweerová
Wieder gefunden: Zu den ausgestellten Arbeiten von Laura Samaraweerová
Bei diesen Arbeiten handelt es sich durchwegs um Naturinszenierungen, Inszenierungen in der Natur. Es scheint, als ob jede dieser Arbeiten einen verloren geglaubten Moment, ein solches Gefühl oder einen ebensolchen Raumteil wiederfinden und authentisch erleben lassen will. Das Vorgehensprinzip scheint sich dabei zu wiederholen: Das ins Auge gefasste Geschehen – Geschehen, denn die Zeitkomponente (Wie kam es dazu? Was ist das? Was folgt?) lässt sich nicht ausblenden – wird abstrahiert, in die natürliche bzw. eigentümliche Umgebung hinausgetragen und dadurch erst „richtig“ in die Szene gesetzt. Die Ergebnisse erreichen den Kopf und das Herz. Der/die BetrachterIn – aufgrund des Denkanstoßes oder der Verwirrung – wird dazu bewegt, mit eigenen Erfahrungen und bekannten Alltagsgegenständen zu kombinieren, zu jonglieren oder gar diese neu zu kategorisieren. Dieses sinnliche Spiel erwirkt Laura Samaraweerová einerseits eben durch die Inszenierung, verstärkt es aber andererseits durch die zum Teil sehr auffällige, nachträgliche Handkoloration. Die Arbeiten scheinen hierdurch eine inhaltlich-visuelle Vollständigkeit vermitteln zu wollen, bleiben aber im Gesamten vor allem als Sequenzen und Querschnitte eines sich verfestigten menschlichen, gesellschaftlichen Zustandes in Erinnerung. (Bruno Batinic)
Lukas Schaller zeigt die Serie Venice Pavillons. Die Bilder der verlassenen, kunstfreien Länderpavillons der Biennale in Venedig stellen eine ästhetische Ungewissheit her, indem sie die Spuren der Vernachlässigung oder des Vandalismus ins Bild setzen und sie als Bestandteil einer künstlerischen Intervention zeigen. Hier geht es nicht um ein Täuschungsmanöver, nicht um eine bildliche Inszenierung von wertlosen Gegenständen im Kontext von Kunst, sondern um die grundsätzliche Unmöglichkeit eines Ausstellungsraums, nichts zu bedeuten, nichts zu sagen und auf nichts zu verweisen. Kunsträume stellen immer etwas zur Schau, selbst wenn sie – wie die Länderpavillons “after show” – nicht bespielt werden bzw. bis zum nächsten Kunstereignis von der Außenwelt abgeschieden sind. Der weiße Kubus mit seiner ausstellungstechnischen Infrastruktur gibt dem Blick eine Richtung vor, sodass die zerstreut am Boden liegenden Gegenstände in ihrer ganzen Banalität als reizvolle Formation im Raum erscheinen, die etwas zu sagen hat, und sei es auch nur: Ich bin, was vom Ereignis übrig blieb, Verpackungsmaterial, Zettelwerk – gehäufte Hinterlassenschaft künstlerischer Aktion, Schnee von gestern. Die Zufälligkeit der herumliegenden Dinge, die nicht mehr gebraucht und im allgemeinen selten beachtet werden, kollidiert mit den Bedeutungszwängen des Kunstbetriebs und der Geometrie von Räumen, deren Konzeption darauf beruht, die darin gezeigten Gegenstände eben nicht dem Zufall von Wahrnehmung oder Nichtbeachtung auszusetzen, sondern sie aus dem Umfeld herauszuheben, sie gewissermaßen zu schärfen. Der Blick einer/s BetrachterIn (einer/s FotografIn) genügt, um das scheinbar Wert- und Bedeutungslose in jenen Rahmen zurückzuführen, in den es der Kunstraum selbst im Zustand gröbster Vernachlässigung unweigerlich rückt: in die Zeichenhaftigkeit ästhetischer Produktion. So gewinnt auch das Nebeneinander von stehender und flachgedrückter Transportkiste im Pavillon der nordischen Länder erst in diesem „reinen” wie ruinösen räumlichen Umfeld an Format, erzeugt jene Unsicherheit, die stets Voraussetzung dafür ist, genauer hinzusehen und die Muster eigener Wahrnehmung zu hinterfragen. (Gabriele Kaiser)
Die Fotografien von Eva Würdinger zeigen Orte, die in der Schwebe stehen, offen, ausgegrenzt und übersehen sind: stillgelegte, anonyme oft verlassene Zwischenräume, die zwar benutzt, aber wegen ihrer Alltäglichkeit nicht wahrgenommen werden. Durch das Aufzeichnen einer bestimmten Atmosphäre des Ortes, erscheint das Alltägliche durch dessen Transformation in eine Fotografie irritierend. Das scheinbar selbstverständliche urbane Umfeld wird zu einem Ort der Ambivalenz. Das fotografische Bild entzieht sich seiner Festlegung, lässt etwas Uncodierbares offen. Das Dokumentarische und Archivarische stehen nicht im Vordergrund, vielmehr konstruieren die Fotografien den Blick des Betrachters und verführen diesen, die Orte neu zu durchqueren. Die formale Reduziertheit und die Leere im Bild evozieren ein Zusammenspiel von Wahrnehmung und Vorstellung. Auch die Aufnahmen einer stillgelegten Jetskibahn der Serie Speedworld geben dem Betrachter Raum für Assoziationen, Erinnerungen und Projektionen. Die Arbeiten thematisieren Künstlichkeit und Fiktion und somit die Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt der Fotografie. Sie behandeln das Wechselspiel von Natürlichem und Künstlichem, zeigen Spuren zivilisatorischer Eingriffe, Schnittstellen und Grenzbereiche von Natur und Kultur. Die Fotografien deuten an, wie urbane Landschaftsräume entstehen, sich verflüchtigen, materialisieren oder verändern und somit Gesellschaft strukturieren.