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Ausstellungen

RAUMKONZEPTE

25. April 2017 – 27. Mai 2017

Alfredo Barsuglia (AT), Melanie Ender (AT), Jonas Feferle (AT), Markus Guschelbauer (AT), David Muth (AT), Swen Erik Scheuerling (DE), Mihai Şovăială ()

BILDER |

Eröffnung: Montag, 24. April, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Petra Noll-Hammerstiel
Performance parting the square (Melanie Ender in Zusammenarbeit mit Waltraud Brauner; Text, Konzept: Melanie Ender), 20:00 Uhr
Begleitprogramm: Alfredo Barsuglia spricht über seine Arbeit: Donnerstag, 18. Mai, 19.00 Uhr

sponsored by: BKA Kunst; MA7-Kultur; Cyberlab

In der Ausstellung geht es um die Auseinandersetzung mit Strukturen und Bedingungen von Raum, um Raumerschließung, aber auch um Auflösung und damit um das Ausloten von Grenzen. Dabei greifen die KünstlerInnen in Form von performativen Aktionen, Inszenierungen oder Installationen in die Gegebenheiten architektonischer Räume oder auch in Landschaftsräume ein, um diese zu definieren, zu beleben oder zu verändern. Durch diese Initiative werden Situationen und Sinnzusammenhänge gebildet, die den Raum jeweils anders wahrnehmbar machen bzw. überhaupt erst lebendig werden lassen. Ein weiterer Zugang ist die Auseinandersetzung mit Innen- oder Außenräumen, die auf unterschiedliche Weise genutzt bzw. besiedelt wurden und werden. Hierbei reagieren die KünstlerInnen beobachtend auf Räume und Gebiete, ohne in deren Strukturen einzugreifen. Ihre Untersuchungen stehen vielmehr im Kontext sozialer, politischer und auch ästhetischer Fragestellungen.

Alfredo Barsuglia zeigt sein Video Paradise in einer Installation aus alten Holzlatten. Dies bezieht sich auf den Inhalt des Films, bei dem es um prekäre Siedlungssituationen in der Mojave-Wüste geht, einer äußerst unwirtlichen Gegend bei Los Angeles. Auf der Basis eines im 19. Jahrhundert erlassenen Gesetzes, das volljährigen BürgerInnen der USA das Recht einräumte, sich auf einem bis dahin unbesiedelten Stück Land niederzulassen und dieses autonom zu bewirtschaften, entstanden noch bis in die 1970er-Jahre solche sogenannten „Homesteads“ aus Beton, Holz und Blech. Die verlassenen Hütten verweisen einerseits auf ein Aussteigerdasein mit gewolltem Verzicht auf eine öffentliche Infrastruktur, aber andererseits auch auf das Scheitern von Menschen, die in diesem (Lebens-)Raum überall an ihre Grenzen gestoßen sind. Ein betagter, in Großaufnahme gezeigter Homestead-Bewohner, der geblieben ist, erzählt davon, dass alles „about space and time“ hier erlebbar ist und der Raum das tiefere Nachdenken über sich selbst und das Verhältnis Mensch-Natur provoziere.

Melanie Ender erschließt architektonische Räume durch performative Aktionen und durch Bewegung ihres Körpers im Raum. Sie zeigt Videoarbeiten, wie z. B. topographie apartment, wo sie sich einen Wohnraum aneignet, indem sie sich balanceartig über vorhandene Möbelstücke bewegt, den Raum sensorisch „vermisst“ und lebendig werden lässt. Der subjektive Blick der Kamera folgt den Bewegungen des Körpers und überträgt den performativen Aktions- in den Filmraum. Zur Vernissage präsentiert sie zusammen mit Waltraud Brauner die Performance parting the square auf der Basis eines von ihr konzipierten Textes, der sichtbare und verborgene Bewegungen eines Körpers im Raum verbal skizziert. Raum und Bewegung der Protagonistin werden durch geometrische Formen beschrieben, die in wiederholtem Perspektivenwechsel einerseits aktiv gebildet werden bzw. wie Instruktionen einer Notation die Szene von außen beschreiben.

Jonas Feferle setzt sich mit den Bedingungen von Raum auseinander; er reagiert auf vorgegebene Räume und deren architektonische Gegebenheiten, indem er sie mit Kunstwerken wie dem Raumteil 1.4. besetzt, einer über zwei Meter hohen und 1,5 Meter breiten, auf der Oberfläche durch Einschnitte bearbeiteten Aluminiumplatte. Durch die Ritzungen auf der Platte, die jeweils einem strengen, auf großer Konzentration basierenden Konzept unterworfen sind, sowie durch die ausgesuchte Positionierung derselben im Raum, kann dieser aus einer anderen Perspektive gesehen werden. Entweder akzentuieren die bildhaften Arrangements den Raum oder sie drängen ihn in den Hintergrund. Der Raum lässt sich als zweidimensionales Bild, die Bildplatte als dreidimensionales Raumelement auffassen. Mit der Verwendung von Alu-Verbundplatten, auf denen üblicherweise Fotografien kaschiert werden, erprobt Feferle die Materialität des fotografischen Bildes im Raum.

Markus Guschelbauer zeigt verschiedene Arbeiten, die sich mit der Unterordnung von Landschafts- und Naturräumen durch den Menschen beschäftigen. Das Multimedia-Regal caught in the rack, in dem Videos, Fotografien, Bücher sowie lebende und tote Naturobjekte integriert sind, ist als interaktives Objekt gedacht, das die BesucherInnen dazu animieren soll, sich mit den Grenzen von Innen- und Außenraum auseinanderzusetzen. caught in the rack widmet sich den Themen Ordnen, Formen und Archivieren. Umgesetzt in unterschiedliche zwei- und dreidimensionale Medien, ist Natur hier – bildlich gesprochen – „gefangen im Wohnzimmerregal“. Durch das Einzwängen in Schubladen sowie rechteckigen oder quadratischen, variabel kombinierbaren Regalkästen, die im Gegensatz zu organischen Naturformen stehen, wird die Domestizierung der Natur durch den Menschen symbolisiert.

In der in Finnland entstandenen Videoarbeit Footnote#01: Sipilänmäki von David Muth sehen wir hell erleuchtete Gewächshäuser in der Dunkelheit der Nacht. Die Zeit scheint still zu stehen in den menschenleeren, romantisch wirkenden Bildern; nur gelegentlich bewirkt eine leichte Brise eine Bewegung in der Vegetation. Tatsächlich verbirgt sich hinter den nicht einsehbaren Gewächshäusern eine vollautomatisch arbeitende, maschinelle Lebensmittel- und Pflanzenindustrie. Durch den Einsatz von Heizung und künstlichem Licht ist es heute möglich, der Natur zu trotzen und auch bei Kälte und Dunkelheit tropische Pflanzen und Gemüse zu allen Jahreszeiten zu produzieren. Unterstützt durch die bedrohliche Elektro-Musik von Antti Tolvi werden die Gewächshäuser zu fremdartigen architektonischen Behältern. Dies weist auf den kritischen Aspekt dieser Arbeit, den Verweis auf die umweltschädigenden industriellen Produktionspraktiken.

graue Kiste von Swen Erik Scheuerling ist Teil einer Videoreihe, in der sich der Künstler mit Ausstellungsräumen auseinandersetzt. In seinen Videoinstallationen/Arbeiten kreiert er ambivalente Raumzustände, Situationen in der Schwebe, und zeigt damit Raum, Bewegung und Wahrnehmung als instabile Größen auf. Für (das Video) graue Kiste bezog Scheuerling sich erstmals nicht auf einen konkreten Ausstellungraum, sondern verwendete ein aus Pappe gefertigtes Modell eines abstrakten, leeren quadratischen Raumes, reduziert auf Wände und ohne raumdefinierende Elemente wie Türen, Fenster, Boden oder Decke. Die Modellkiste wurde in eine Drehung versetzt und aus der Mitte heraus gefilmt. Für das Video wurde die Aufnahme vervierfacht und zeitversetzt nebeneinander montiert. Wie in einer Panoramaaufnahme faltet sich der geschlossene Kubus dadurch perspektivisch auf. In einem gleichmäßigen Vor- und Zurückkippen dehnen sich die Wände zu einem Band und scheinen Innen- und Außenansicht ineinander aufzulösen.

Mihai Şovăială untersucht in seiner dokumentarischen Fotoserie Production Areas die leeren Räume bzw. Flächen, die aus dem Abriss industrieller Anlagen aus der kommunistischen Ära in Rumänien resultieren. Damals zogen die Fabriken Menschen von weit her an und es entwickelten sich Wohngebiete, ja ganze Städte rund um diese Anlagen, die allerdings kaum Rücksicht auf die Struktur der anschließenden Altstädte nahmen. Es gelang, eine florierende Wirtschaft zu etablieren und Rumänien zu einem wichtigen Exporteur für Russland zu machen. Während der postkommunistischen Ära wurden diese Fabriken abgebaut und somit Tor und Tür geöffnet für kapitalistische Grundstücksspekulanten, die durch die Politik ermutigt wurden. Heute sind diese Flächen der ehemaligen Fabriken – zumindest vorläufig – vergessen. In der fotografischen Verbildlichung dieser Leerstellen zeigt sich deutlich ein sozialkritischer Ansatz und die Frage danach, warum funktionierende Infrastrukturen zur Ödnis verdammt werden.

Petra Noll-Hammerstiel für die FOTOGALERIE WIEN