Eröffnung: 2. März 2009, 19.00 Uhr
Das Portrait als Spiegelbild unserer Gesellschaft, an dem sich der Einzelne individuell orientiert, in dem vielschichtige Kommunikations- und Emotionsabläufe in komplexen Verarbeitungsmechanismen und Integrationssystemen münden, ist Thema dieser Ausstellung.
Sieben KünstlerInnen erforschen das soziale Feld in seiner Veränderbarkeit bezüglich zeitkontextueller und ethnographischer Einordnungen und deren Bildsprache.
Jerry Galles computergenerierte Erinnerungsportraits gehen den Prozessen von Bildern in ihrer Veränderung durch Sehen, Abspeichern, Abrufen und Neugenerierung auf den Grund. Wie auch in den neuralen menschlichen Systemen können Computer als poetische Maschinen mit einer eigens dafür entwickelten
Software über Algorithmen Fotografien und Sound in abstrakter Sprache neu entwerfen. So ist in Galles experimentellen Videoarbeiten Portrait jedes Bild einzigartig.
Caroline Heiders Faltbilder fragmentieren ikonografische Repräsentationsmechanismen der westlicher Werbung oder Kunst. Die Falte bricht die Oberflächlichkeit bekannter Sehmuster auf. Sie schafft Raum für veränderte Proportionen
und Wahrnehmungen, für jenes Gesellschaftsbild, das sich hinter perfekter symmetrischer Ästhetik verbirgt. Like Models stehen ihre ProtagonistInnen im White Cube des Bildraumes – doch werden grosse Teile ihrer Identität verschluckt.
Oleg Kasumovics inszenierte und collagierte Selbstportraits sind eine poetische und zugleich schonungslose Zusammenführung und Verdichtung – eine Art Katharsis – aus eigener Lebensgeschichte, künstlerischer Biografie und persönlichen Outings: Die Jugend im Tito-Jugoslawien, die Sehnsüchte bzw. Einflüsse der Hollywoodfilme, die Arbeit als Bühnenbildner, die Fotografie als Spiegel der Eigenwahrnehmung
und Selbstreflexion in Schönheit und Vergänglichkeit sowie sexuelle Orientierung und Begehren sind zentrale Themen.
In der Videoarbeit Roulette zeichnet Andrea Loux das archetypische Bild familiärer und sozialer Konstellationen einer Tischgesellschaft. In
einer zunehmend einengenden Kreisbewegung der Kamera, unterlegt mit teils bedrohlichem
Sound, bricht Normalität und Konvention ins Unheimliche. Loux dechiffriert
zwischenmenschliche Ambivalenzen, das Verdrängte in geschlossenen Systemen,
Zuneigungen und unterschwellige Aggressionen, und die Einsamkeit im Familienritual.
Ein zentrales Thema in Lucia Nimcovás Werk sind die massiven Veränderungen, denen zentral- und osteuropäische Gesellschaften in den letzten Jahren unterworfen sind, einhergehend mit dem Verschwinden von Traditionen, mit Generationskonflikten und dem Verlust an Lebensqualität. Die Fotoserie Instant Women beleuchtet den Alltag von Frauen der Mittel- und Unterschicht. In Nimcovás erzählerischer, einfacher, dennoch präziser Bildsprache wird die Diskrepanz zwischen Wünschen, Träumen und Plänen der Portraitierten und der sie umgebenden Realität offensichtlich.
Laura Riberos inszenierte Fotoserie electro-doméstica spielt im Aufnahmestudio einer kolumbianischen populären Telenovela. Sie portraitiert die Wünsche und klischeebeladenen Träume südamerikanischer Armut im Sujet des vorproduzierten und konstruierten Märchens von Reichtum und Glück; sie schlüpft selbst in die Rolle des Hausmädchens und der damit verbundenen Sehnsucht des möglichen gesellschaftlichen Aus- und Aufstiegs. Durch die Sichtbarmachung des Settings bricht sie die Aschenputtel-Thematik auf und dekonstruiert die Illusion.
In Daniel Stiers Fotoserie in my country treffen MigrantInnen
in ihrer Originaltracht und das urbane Ambiente des globalisierten Londons aufeinander.
Traditionelle Bekleidung als kultureller Widerstand gegen den Verlust der eigenen Identität, gegen das Verschwinden überschaubarer, fassbarer Gesellschaftsstrukturen und kulturellem Erbe. Die Menschen, die Stier in ihrem gewohnten Umfeld portraitiert, sind Teil dieses modernen Londons geworden und haben es durch ihre Geschichten geprägt und mitgeformt.