Eröffnung: Montag, 31. August 2009 um 19.00 Uhr
Einführende Worte: Astrid Peterle
Der diesjährige Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN widmet sich der Performance im Bild und im medialen Übertrag. Der Titel der Ausstellungsreihe verweist auf die komplexe Beziehung zwischen Performance und Bild: Die Flüchtigkeit der Performance in ihrer Form als Handlungsablauf trifft auf die Fixierung der Performance durch bildgebende Medien wie Fotografie und Video. Die drei Ausstellungen präsentieren, entgegen einer traditionellen Perspektive, in der Performances vor allem durch die gleichzeitige räumliche und zeitliche Anwesenheit von KünstlerInnen und BetrachterInnen definiert werden, vorwiegend Performances für die Kamera und performative Installationen. So werden alternative Rezeptionen von Performances möglich.
Die zweite Ausstellung – Übertragung und Übersetzung – fokussiert auf die Möglichkeiten und Formen der Übertragung von Performance in verschiedene künstlerische Medien. Das Spiel mit Live-Elementen und den Bedingungen ihrer Aufzeichnung, Dokumentation und Reproduktion durch Fotografie und Video prägt diese Übertragungen. Durch den Eingriff in die Handlungsabläufe mittels technischer Möglichkeiten und Manipulationen des Bildmaterials werden konventionelle Perspektiven vermieden: Die sieben KünstlerInnen der Ausstellung entwickeln durch interaktive Sound- und Bildinstallationen, Objektinszenierungen, Videotechnikexperimente und RNA-Laborbilder neuartige Formen von Performances.
Die Ausstellung spannt einen Bogen über drei Jahrzehnte: von einer frühen Videoinstallation aus den 1970er-Jahren bis hin zu zeitgenössischen Performances, die die neuesten Möglichkeiten der Reproduktion und Transformation des Ausgangsmaterials durch digitale Bilderproduktion und Labortechnik nutzen.
Clarina Bezzolas Fotoserien Wearable Sculptures und Lamentation zeigen die Künstlerin in Kleidungsskulpturen, die das Innere nach Außen stülpen und damit im Gegensatz zu Schutzpanzern den umschlossenen Menschen nicht verdecken, sondern die Innenwelt freilegen und materialisieren. Während die tragbaren Skulpturen auf die Verletzlichkeit des Individuums verweisen, thematisiert das Video Judgement Day den Drang, ständig seine Meinung kundtun zu müssen. Die Künstlerin schlendert, mit überdimensionalen Zeigefingern an Stelle ihrer Hände, durch New York City und äußert lautstark ihre Meinung über alles, was ihr begegnet. Am Ende führen die richtenden Äußerungen zu Erschöpfung und Isolation des Individuums in der anonymen Masse der Großstadt.
Katharina Gruzeis Videoinstallation Dialoge I-IV richtet den Fokus auf die Gesichter zweier Frauen, die einander gegenüber sitzend ausschließlich über Mimik und Gestik kommunizieren. Was zunächst wie ein Standbild erscheint, erweist sich nach einiger Zeit der Betrachtung als Slow-Motion-Aufnahme eines nonverbalen Konfliktes. Aggressiv konnotierte, zwischenmenschliche Handlungsmuster werden durch den Zeitraffer verfremdet; die Grenze zwischen Fotografie und Video verschwimmt. Der Sound, der die Videos begleitet, fügt den Bildern eine weitere, unheimliche Wahrnehmungsebene hinzu.
Die Installation Zwillinge wurde von Richard Kriesche erstmals auf der documenta 6 im Jahr 1977 präsentiert. Eine räumliche, visuelle und zeitliche Irritation des Publikums macht dabei auf die Reproduktion und Manipulation der „Realität“ durch Medien wie etwa der Fernsehübertragung aufmerksam. Durch zwei identische Räume, eineiige Zwillinge bei der Lektüre von Walter Benjamins „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ und durch die Echtzeit-Videoübertragung in den jeweils anderen Raum werden die gleichzeitige, die vergangene und die medialisierte Realität miteinander verwoben. Das begleitende Video „Malerei deckt zu, Kunst deckt auf“ widmet sich den Blickkonstellationen von Moderator und Zusehern, der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit und somit auch der Eigenart des Mediums Fernsehen.
Das Eindringen in den eigenen Körper als Gegenhandlung zur gesellschaftlichen Regulierung von Körpern stand bisher im Mittelpunkt von Roberta Limas Performances. Mit ihrem neuen Projekt RNA-Chips and Butterflies, einer weiteren Auseinandersetzung mit den Regeln der Biopolitik, dringt die Künstlerin in das Innere ihres Körpers vor: Mit Hilfe eines Molekularbiologen und modernster Labortechnik wurde ihr Blut mutiert und der dabei entstandene Chaoszustand in Abbildungen von RNA-Chips festgehalten. Fotografien und Videos bieten einen Einblick in den Prozess des Mutierens, in dem das Labor als ein neuer performativer Raum erobert wird.
Jan Machacek lotet in seinen Live-Video-Performances mit Hilfe von Kameras und Videotechnik Perspektiven auf den eigenen Körper aus. Das Publikum wird dabei Zeuge der Konfrontation und Kommunikation zwischen dem „realen“ Performer und der transformierten Version seines eigenen Gegenübers auf der Videoleinwand. Während die Live-Performances von einer ständigen Übersetzung zwischen Realbild und Videobild geprägt sind, überträgt die Installation me and video vis-à-vis die Live-Performances in Form von Fotos und Videos als Objekte und Dokumente in den Ausstellungsraum. Ein Staubsauger mit eingebauter Kamera und ein Monitor ermöglichen den BesucherInnen ungewohnte Sichtweisen ihrer Körper.
Mit Droom entwickelt Benjamin Tomasi speziell für diese Ausstellung eine raumbezogene Klang- und Objektinstallation. Durch das Zusammenspiel von Raum, RezipientInnen und technischen Geräten entsteht eine Performance, die Sound-Zustände erzeugt, indem sie vorhandene, jedoch herkömmlich nicht wahrnehmbare Klänge aufnimmt und zu generativen, musikalischen Mustern verwandelt. Magnetfelder, Kupferdrähte, durch die Wand laufende Rohre und Computer nehmen in der Installation ebenso eine wichtige Rolle ein, wie die BesucherInnen, die durch ihre Anwesenheit im Raum und durch das Verstellen von Lautstärkereglern die poetische Klangsphäre mitgestalten können.
Der Titel von Zsolt Vásárhelyis Video Yamakasi bezieht sich auf das, in den 1990er-Jahren entstandene, urbane Phänomen der Wegzurücklegung von A nach B durch Überwindung sämtlicher Hindernisse. Symbolisch für den Kampf des Individuums mit seiner städtischen Umgebung hantelt sich der Künstler, scheinbar kletternd, mühsam durch den Stadtraum. Das Video 35 minutes Rome vermittelt den BetrachterInnen den Blick durch eine Kamera, die der Künstler während eines Laufs entlang des Flusses Tevere in Rom in den Händen hielt. Die BetrachterInnen werden nicht nur mit dem unsteten Bild konfrontiert, sondern vor allem auch mit den Kontrasten zwischen Armut und Tourismus entlang des Weges und den physischen Grenzen des Laufenden.
(textliche Betreuung: Astrid Peterle)