Eröffnung: Montag, 11. Mai 2009 um 19.00Uhr
Einleitende Worte: Astrid Peterle
Der diesjährige Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN widmet sich der Performance im Bild und im medialen Übertrag. Der Titel der Ausstellungsreihe verweist auf die komplexe Beziehung zwischen Performance und Bild: Die Flüchtigkeit der Performance in ihrer Form als Handlungsablauf trifft auf die Fixierung der Performance durch bildgebende Medien wie Fotografie und Video. Die drei Ausstellungen präsentieren, entgegen einer traditionellen Perspektive, in der Performances vor allem durch die gleichzeitige räumliche und zeitliche Anwesenheit von KünstlerInnen und BetrachterInnen definiert werden, vorwiegend Performances für die Kamera und performative Installationen. So werden alternative Rezeptionen von Performances möglich.
Die KünstlerInnen der ersten Ausstellung – Identität und Inszenierungsstrategien – stehen selbst als AkteurInnen im Mittelpunkt ihrer Fotografien und Videos. Die Handlungsabläufe der KünstlerInnen, die sie, mit einigen wenigen Ausnahmen, ohne Publikum für die Kamera inszenierten, werden den BetrachterInnen durch Fotografie und Video zugänglich und erfahrbar. Der Blick durch die Kamera eröffnet Perspektiven, die in einem Live-Erlebnis nicht möglich wären. Die performative Installation vermittelt oder – genauer – erzeugt die Performance durch verschiedene Medien: durch Eingriffe in den Ausstellungsraum ebenso wie durch Videoprojektionen. Als Rauminstallation umfängt die performative Installation die BetrachterInnen, die sich so inmitten der Performance wieder finden können.
In der performativen Rauminstallation des Berliner/Londoner KünstlerInnen-Kollektivs Artists Anonymous verschmelzen Bilder und Worte über Gewalt, Exzess, Opfer, Täter, Privates und Öffentliches, Psychostrip via Fernsehen und dem Tatort Wohnzimmer zu einer Performance. Die KünstlerInnen versuchen nicht nur durch die Verschränkung von Videos und Rauminstallation neue Wege der Performance zu gehen, sondern auch durch technische Mittel: Das Negativverfahren, das ein essentieller Aspekt ihrer Performances ist, wird erst durch Video und Fotografie ermöglicht.
Die 10 Monitore der Videoinstallation ich und andere leuchten von Miriam Bajtala fungieren als Leuchtmittel – die Bildschirme zeigen verschiedene Lampenmodelle und die Künstlerin, die sich in diese Lampen verwandelt. Diese Videoskulpturen vermitteln Transformationen, in denen Subjekt und Objekt ihre Rollen tauschen, genauer ineinander übergehen: Der menschliche Körper wird zum schwenkbaren Gegenstand, während die Lampen eine Persönlichkeit erhalten.
Peter Dresslers Bildergeschichte Business Class macht unkonventionelle Handlungsweisen in einem Hotelzimmer sichtbar: Der Künstler, seriös gekleidet und diskret agierend, zerlegt das Mobiliar und die Dusche des Zimmers und versucht Einrichtungsgegenstände, wie etwa die Bettwäsche, in einen Koffer zu packen. Normen des legitimen Handelns werden in Peter Dresslers Bildergeschichten und Künstlerbüchern auf ironische Weise in Frage gestellt.
Judith Huemers Videoinstallationen machen auf unterschiedliche Weise erfahrbar, wie Sprache individuelle Identität beschneidet und einschränkt: in Judith, du bist ja keine 17 mehr eignet sich die Künstlerin die titelgebende, in-die-Schranken-weisende Aussage sprachlich an und kontrastiert sie mit einer Körperinszenierung, die in ihrer Nachdrücklichkeit bis zur körperlichen Erschöpfung an eine kindliche Antwort auf Tadel, an ein „Jetzt erst recht“ erinnert. Tourist_Terrorist_Artist, entstanden als Reaktion auf die selbst erfahrene Schwierigkeit, als KünstlerIn von US-Visa-Behörden ein Visum zu bekommen, verdeutlicht, dass der Übergang zwischen stereotypen Identitätszuschreibungen durchaus fließend ist.
Johanna Kirschs Video No Track Walk 1.0 entstand aus einem fünftägigen Wanderexperiment, in dem die Künstlerin versuchte, vorgegebene Wege zu vermeiden. Das Video zeigt nicht nur absurde, teils waghalsige Möglichkeiten der Wegzurücklegung, sondern bietet auch ungewohnte Perspektiven auf eine scheinbar vertraute Landschaft.
In den drei Videos von Michaela Moscouw, Candy, store storage, storten und tülfüle, können die BetrachterInnen die Künstlerin dabei beobachten, wie sie eine Waschmaschine aus Karton nachbaut, am Boden eines eisigen Flussufers aus Tüll und Erde eine Art Fotogramm anfertigt und ein Fotogramm unter lautstarker Proklamation eines Monologs zerstört. Die serielle Fotografie, für die Michaela Moscouw bekannt ist, kommt mit den erstmals ausgestellten Videos ins Fließen. Neben der Akteurin spielt die Zeit die weitere Hauptrolle in den Videos: Sie zeigt sich in Form des Durchhaltens der Künstlerin, aber auch in Form des Durchhaltens der Beobachtung durch die BetrachterInnen.
Nina Rike Springers Animationen, wie Tanzgrafik und Springschnur Springer, zeigen Handlungen, die gleichzeitig absurd-unwirklich und vertraut erscheinen. Die Darstellungen der individuellen Befindlichkeiten der „Ich“-Figur, ausgedrückt in bunten, trickfilmartigen Bewegungssequenzen, fordern alltägliche Wahrnehmungsmuster heraus, indem Skurriles und Ernsthaftes, Vertrautes und bisher Ungesehenes verwoben werden.
Jennifer Wille thematisiert in ihrer performativen Rauminstallation Frame of reference – or – corner myself in a dead end street and i will turn and bite den Ausbruch aus auferlegten Normen des Kunstfeldes. Das Blau, mit dem die Künstlerin eine Raumecke ausfüllt und sich dabei immer mehr selbst in die Ecke drängt, fungiert als Referenz auf das Schon-Dagewesene, die großen Ikonen der Kunstgeschichte. Die Akteurin erscheint zunächst im künstlerischen Referenzrahmen in die Ecke gedrängt, überschreitet und verlässt diesen aber in einem abschließenden Akt der Befreiung, in dem sie aus der Ecke heraustritt.
(textliche Betreuung: Astrid Peterle)