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Ausstellungen

PATRICIA CASTELLANOS / HERMAN PIVK

7. April 1993 – 30. April 1993

Patricia Castellanos (CO), Hermann Pivk (SI)

Patricia Castellanos‚ Fotografie ist vor allem lebendig. Sie entsteht, befreit aus einer egozentrischen Persönlichkeit, auf der beklemmenden Suche nach einer Identität. Gleichzeitig verführend und abstoßend, behauptet sie, unbewußt den neugierigen Zuschauer in ihrem Dickicht aus Traum und Wirklichkeit einzufangen. Zutiefst menschlich, sinnlich aggressiv, naiv religiös, drückt sich Patricia in ihrer Fotografie als existentielles Fragezeichen aus. Ihr Werk ist ohne Zweifel das Wahrste an ihr selbst: ihr zum Schrei, zur Kunst gewordenes Wesen.
La Fotografia de Patricia Castellanos es, ante todo, vital. Nace, liberada, de una personalidad egocentrica en anquistosa büsqueda de infantidad. Seductora y repulsiva a un tiempo, pretende, inconsciente atrapar al espectador curioso en su marana de sueno y realidad. Profundamente humana, agresivamente sensual, ingenuamente religiosa, Patricia se expresaen su Fotografia como interrogante exsistencial en insatisfecho devenir. Su obra es, sin duda, lo mas autentico de ella misma: su ser mismo necho grito, hecho arte.
(Luis M. Munca, röm.-kath. Priester, Rom, 28. 10. 1992)

 

Durch den Spiegel. Die Fotografien von Herman Pivk widersprechen dem Prinzip, das dem Lichtbildverfahren eigen zu sein scheint, nämlich das Festhalten eines aus dem Zeitkontinuum herausgerissenen Augenblicks. Sein Schaffen gründet hauptsächlich auf der Betonung zweier Elemente, der Zeit und der Narrativität. Die beiden führen in einen abge-schlossenen, imaginären Raum, wo sich das gegenseitige Angewiesensein von Zeit und narrativem Gehalt in eine phantasmagorische Szene auflöst, in der naturalistische Details von einer traumhaften Irrealität überlappt werden. Der semantischen und assoziativen Fülle der Bilder und Gegenstände wird offene Narration entgegengesetzt, deren verborgener Sinn läßt sich nur erraten. Diese fragmentarische Narration steht unterschiedlichen interpretatorischen Ansätzen des Bildes offen, das demzufolge weiterhin und auf Dauer unvollendet bleibt, aufgeschlossen für die Einbildungskraft jener imaginären Pro-jektion, die als Anteil des Betrachters bezeichnet wurde. Der Betrachter wird durch sein Einfühlungsvermögen sowohl zur Erweiterung des Bildes aufgefordert, wie auch zur Verbindung der vom Fotografen ins Sichtbare gehobenen Formen und Figuren in eine fragmentarische Narration.

Die Bildnisse erwecken den Eindruck einer unmittelbaren, faktischen Realität, mit welcher alle Fotografien von Herman Pivk durchdrungen sind. Es scheint, als wolle die ganze Inszenierung geradezu auf eine physische Art an den Raum des Betrachters heranrücken. Der Handabdruck erweist sich dabei als eine Art primäre Signatur und zugleich als Zeichen, das die Grenze zwischen Realität und virtuellem Raum absteckt und befestigt. Mit Hilfe der Montage werden sowohl die Transformationen des bildlichen Zeichens wie auch das Gefüge aus Bild, fotografischem Fragment und Abdrücken sichtbar gemacht. Und neuerdings ist es die Montage, die durch den Wechsel von Repräsentationsweisen die disparaten Teile auf der Ebene eines einheitlichen Bildnisses aufrechtzuerhalten vermag.

Deutlich genug wird auf den Fotografien von Herman Pivk die Stimmung von Beklemmung und Unbehagen hervorgehoben, die man angesichts Metamorphosen, übereinandergeschichteter Figuren und anderer formaltechnischer Verfahrensweisen nachempfinden kann. Diese weisen auf die Gewalt hin und drüberhinaus auf etwas, was man nur in ganz seltenen Augenblicken ins Bewußtsein hineinschlüpfen läßt.

Bei der Besichtigung dieser Werke glaubt man sich mit Bildnissen konfrontiert, deren Ausdruckskraft hauptsächlich in der Verknüpfung und Zusammensetzung von gegensetzlichen und disparaten Figuren, Formen und Gestalten liegt. Es ist der Eindruck des Numinosen, der anziehenden Sensualität und des Abscheus zugleich, was wahrgenommen wird. Und es ist die Vorahnung jenes Mysteriösen, das einen anwandelt, sieht man sich mit Symbolen konfrontiert, deren sinnliche Ladung sich dem durch Konventionen des Alltags mitbestimmten Dasein entzieht.

Obwohl die Fotografien zwei bildnerischen Prinzipien unterstellt sind – einerseits dem Zusammensetzen und Collagieren von Fragmenten in ein einheitliches Bild, dessen gesamte Fläche mit visuellen Zeichen besprüht wird, und anderseits Fotografien, deren im Close-Up aufgenommenen, alleinstehenden Figuren es im wesentlichen auf die unmittelbare Wirkung und Empathie ankommt – liegt ihr grundlegendes Verfahren doch jenseits der künstlich aufgestellten Unterscheidung zwischen Dokumentarfotografie und künstlerischer Fotografie. Denn die phantastischen Bilder werden mit einer solchen erregungsvollen Heftigkeit und unmittelbaren Sinnlichkeit wiedergegeben, daß der Eindruck des existentiellen Abstandes und damit die Bewußtwerdung des Vergehens, das der Dokumentarfotografie immanent ist, aufrechterhalten bleibt in Wahrnehmung der faktischen und realen Präsenz des Bildes, das im veristischen Medium traumhafte Vision „aufzeichnet“ und aufbewahren läßt.
(Tomislav Vignjevic, übersetzt von Andreja Osterman)