Der Themenschwerpunkt Natur – Vegetation wurde nach Sichtung des eingelangten Materials in vier Unterbereiche gegliedert. Alle beteiligten KünstlerInnen wurden aufgrund einer langjährigen Beschäftigung mit dem Generalthema angeschrieben oder von ausländischen KuratorInnen vorgeschlagen. KünstlerInnen mit speziellen Sehweisen und fotografischen Praktiken, die in einer inhaltlichen Nähe liegen, sind vom Team der FOTOGALERIE WIEN zu Gruppen zusammengefaßt worden.
Die dritte Ausstellung des Themenschwerpunktes hat den Titel Flora. Der Kreislauf des Werdens und Vergehens wird von den KünstlerInnen auf zwei Ebenen thematisiert. Soll man nun die Vorgehensweisen als romantisch oder realistisch bezeichnen? Die eine Ebene bezieht sich auf den Beginn aller Vegetation als Plankton, als Pflanzenteilchen.
Michaela Dernier macht einen Schulversuch, der pflanzliches Leben sichtbar macht. Doppeldeutig wird noch in zwei Künstlerbeiträgen mit der „Entwicklerfunktion“ gespielt.
Beate Schachinger forscht in den Anfängen der Fotografie und benützt für ihr Pflanzenstudium eine historische Vorgangsweise. Waldreben legt sie auf lichtempflindliches Papier, vorwärts zurück zum Photogramm geht die Reise zur Natur. Sie läßt den Spielraum, den ja Natur tatsächlich läßt, denn bekanntlich ist kein Blatt genau wie das andere. Mit dieser Vorgangsweise will sie die Faktengläubigkeit der Wissenschaften unterlaufen und dem „Wunder der Natur“ Raum geben. Nun kann man diesen Standpunkt kaum als naiv einstufen, es ist eher eine Kritik an allgegenwärtigen Rastern, Normen, Perfektionen.
Mit den Sumpfblüten – pissflowers – überholt Stephan Reusse die Technologie und entwickelt Natur mit Natur. Als Entwicklerflüssigkeit verwendet er Harn (Urin auf Halogen–Silber-Print); die Blütenmotive erinnern dadurch in ihrer Optik eher an Tuschzeichnungen mit Feder. Es entsteht eine Struktur der ungleichmäßigen Linie und Fläche.
Neben diesen Positionen, die gleichermaßen die Entwicklung von Vegetation und die Entwicklung der Fotografie reflektieren, wird noch eine zwischen den Medien agierende graphische, in Richtung Design zielende Kunstposition durch Gertrud Fischbacher ins Spiel gebracht. Den Faktor Zeit bringt sie durch ein Nacheinander der Produktionsvorgänge ein. Es wächst hier nicht die Pflanze, sondern das Motiv. Das Endprodukt ist ein mehrfach überlagertes Pflanzenbild, ein artistisches Gebilde, bei dem vor allem die Künstlerin „Schöpfer“ ist.
Während Tomek Wozniakowski noch durch die Lichtführung die Pflanzen zu Farbminiaturen stilisiert, beziehen sich Hans Mayr, Robert Zahornicky, Basia Sokolowska und Elfriede Mejchar auf den Lebenszyklus (hier stellvertretend für alles Leben), durch pflanzliche Motive signalisiert.
Hans Mayr zeigt Pflanzenteppiche, es geht immer um Völker, nicht Einzelwesen, um Strukturen, die auf einen geographischen Lebensraum verweisen. Dabei ist aber kein „romantischer“ Ort in Sicht, es wird nicht Heimat dargeboten oder vermißt, ein be-stimmter Zustand (Jahreszeit) in einer Region (Mitteleuropa) wird als Muster angeboten.
Aus diesem Kontext reißt Robert Zahornicky kleine Rasenstücke, ein Bündel Wildnis, eine zufällige Mischung von Gräsern, steht auf einmal isoliert, offenbart aber so die Schönheit jedes Halms. Herausgebrochen wirkt so ein Stück Erde wie ein romantisches Sammlerstück, eine Erinnerung an Unwegsames.
Basia Sokolowska beschäftigt der Herbst der Blüten. Sie tritt ganz nahe und zeigt den Moment einer schweren Süße, kurz bevor die Blüten zu welken beginnen. Der Ansatz ist erotisch, fast meint man, das was man sieht auch riechen zu können.
Elfriede Mejchar zeigt in Schwarz-Weiß edle Blüten mehr oder weniger vertrocknet, ein Zustand, in dem sie Charakter zeigen, pflanzliche Skulpturen die ein Höchstmaß an Ausdruckskraft erreichen.
Damit schließt sich der Kreis, das Thema konnte umrissen wer-den. Einmal mehr offenbaren sich die literarischen Qualitäten von Fotografie.
(textliche Betreuung: Jana Wisniewski)