Eröffnung: Montag, 13. Mai um 19.00 Uhr
Einführende Worte: Philipp Levar
sponsored by: BMUKK, MA7-Kultur, Cyberlab, Portugiesische Botschaft/Wien, Kooperationspartner: ZDB Gallery, Lissabon
Ausschweifende Mobilität ist – neben exzessiver Kommunikation – eines der bestimmenden globalen Phänomene am Beginn des 21. Jahrhunderts. Die FOTOGALERIE WIEN zeigt in ihrem diesjährigen Schwerpunkt künstlerische Arbeiten, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln den mannigfaltigen Aspekten dieses Themas widmen. Dabei umfasst die dreiteilige Ausstellungsserie Positionen zu den ineinander verwobenen Feldern der freiwilligen Reisen, der Grenzen und Grenzgebiete sowie der volatilen Kapital- und Informationsflüsse mit ihren physischen Konsequenzen für viele. Jeden Teil dieser Trilogie entwickelt das kuratorische Team in einem offenen Prozess gemeinsam mit den KünstlerInnen und begibt sich damit selbst auf eine Reise mit oftmals überraschenden Entdeckungen; in ihrem dialogischen Zusammenspiel machen die verschiedenen Arbeiten immer wieder neue Momente sichtbar und ermöglichen es, die Vielschichtigkeit des Themas Mobilität aufzuzeigen. Sich diesem gerade in und durch das Medium Bild zu nähern, kann auch als eine Referenz an ein wesentliches Merkmal der Globalisierung gelesen werden – zählen doch gerade Bilder zu deren mobilsten Einheiten, die sich längst schon über alle Grenzen hinweggesetzt haben.
Die erste Ausstellung in dieser Reihe, Reisen, widmet sich verschiedenen Arten der freiwilligen Bewegung, den treibenden Sehnsüchten, an andere Orte zu gelangen, und den Settings, die dabei vorgefunden oder auch selbst erschaffen werden. Die FOTOGALERIE WIEN hat dazu fünf KünstlerInnen eingeladen, die sich mit den Themenfeldern Massentourismus, Künstlerreisen und virtuelle Reisen beschäftigen. „On the move“ zu sein heißt im ersten Fall zumeist, sich in entfernte Gefilde zu begeben, ohne tatsächlich dort zu sein, sondern lieber abgekapselt vom lokalen Geschehen, gehüllt in den Kokon eigens eingerichteter Ressorts oder Abenteuerurlaub-Strategien. Unter einem anderen Stern stehen KünstlerInnenreisen, die den zweiten Schwerpunkt dieser Schau bilden. Diese sind oftmals von der Neugier auf das Fremde geprägt und von dem Wunsch, das tatsächlich Andere zu erfahren, und dieses auch im Schaffen ästhetisch zu reflektieren. Ein weiterer Aspekt sind Ausflüge in den Cyberspace, bei denen mittels Tastatur und Maus die Imagination aus dem gewohnten Umfeld entlassen wird und dabei jedoch immer wieder auf vorgefertigte Verhaltensmuster trifft.
In ihrer Serie Portobello inszeniert Patrícia Almeida, 1970 geboren und in Lissabon lebend, Orte, Menschen und Szenen in einem massentouristischen Kontext: Scheinwelten unter strahlend blauem Himmel, die es erlauben, dem Alltag zu entfliehen. Der Titel steht dabei als Synonym für die weltweite Austauschbarkeit der touristischen Ressorts. Sich durch ein massentaugliches Entertainment bespaßen zu lassen, zu relaxen oder einfach die „Sau raus zu lassen“, geschieht dabei zumeist in völliger Losgelöstheit von den wirklichen Verhältnissen in der Region unter Abschottung gegen das tatsächlich Andere und Fremde vor Ort. Die Künstlerin zeigt das Phänomen Massentourismus in vielen Facetten, wobei es sich nicht um Snapshots handelt; vielmehr sind die Orte, Portraits von Touristen und von im Tourismus Beschäftigten oder des Entertainments und Konsums präzise in Form von nachgestellten Szenen dokumentarisch festgehalten und werden in installativen Inszenierungen miteinander verwoben. Dadurch gelingt es ihr, das Authentische im Nicht-Authentischen einzufangen und das Artifizielle dieser Erlebniswelten auf einer weiteren Ebene sichtbar zu machen.
Robert F. Hammerstiel wurde 1957 in Pottschach geboren und lebt in Wien. Die in der FOTOGALERIE WIEN präsentierten Arbeiten sind ein Ausflug in den Kosmos des Cyberspace, in ein „Second Life“, respektive in die Welten der gleichnamigen Online-Plattform. Dabei gibt er nicht nur Einblicke in die visuell-ästhetische Suggestivkraft der virtuellen Erlebniswelt, die mit ihren lang gezogenen Sandstränden oder den sonnigen, palmengesäumten Boulevards durchaus Ähnlichkeiten mit „Traumdestinationen“ des realen Reisens aufweist, sondern dokumentiert auch die Beweggründe der Menschen, sich dorthin zu begeben. Die Fotoserie Instant Vacation I besteht aus menschenleeren Bildern mit Statements von Usern, die ihre Wünsche artikulieren. Das Video Instant Vacation II gibt einen Einblick in die Konstruktionsmechanismen dieser virtuellen Welt, und in Instant Message wohnt man als stiller Beobachter einem Chat von Usern bei, dem es sich um die Erlebnisse und Freiheiten in „Second Life“ dreht. Die Videoarbeit Pose Balls dokumentiert die genormten Abläufe intimer Begegnungen zwischen Avataren, wie sie vom Programm her vorgesehen sind. Es wird deutlich, dass sich auch in der Cybermobilität – wie im (physischen) Massentourismus – die Flucht aus dem Alltag in vorgezeichneten Schablonen vollzieht.
Mit seiner Arbeit Outpost of Progress führt uns Michael Höpfner, geboren 1972 in Krems und in Wien lebend, an Grenzbereiche, in denen Menschen, die in alter Tradition leben, auf die Vorposten der Zivilisation treffen. Dabei gelingt es ihm, exotistische Vorstellungen einer unberührten Natur und völlig mit ihr in Einklang lebender Völker zu konterkarieren, indem er die tatsächliche Situation vor Ort dokumentiert. In seinen langen Reisen zu Fuß findet der Künstler etwa im westlichen Tibet in einem ursprünglichen und nomadisch geprägten Gebiet am Chang Tang Plateau organisierte Arbeitslager und endlose Autobahnen. Die hier entstandenen Schwarz-Weiß-Fotos zeigen schnurgerade Straßen, die sich als infrastrukturelles Manifest der Modernisierung in die Wildnis schneiden, jedoch ihrerseits wieder an ihren Rändern in die ursprüngliche Natur ausfransen. Dem stellt der Künstler eine eigens für die Ausstellung angefertigte Installation aus rostigem Eisen gegenüber, die den von zugereisten Arbeitern eiligst vor Ort errichteten Unterkunfts-Hybriden aus Zelt und Einfamilienhaus nachempfunden ist. In seiner künstlerischen Reaktion verbirgt Höpfner nie seinen westlichen Blick. Das Gehen als Reisemodus kann als Widerstand gegen den globalen Kapitalismus gelesen werden und als anarchischer Versuch, dem Diktat der Beschleunigung zu entgehen, um somit zu einer anderen Form von Wahrnehmung zu gelangen.
Klaus Mähring wurde 1975 in Graz geboren und lebt seit 2001 jeweils ein halbes Jahr „on the road“ und in Wien. Für ihn ist das Reisen eine Lebensweise, die sich auch in seiner Arbeit widerspiegelt. Als nomadischer Künstler arbeitet er auf seinen Reisen mit dem, was sich vor Ort findet und entwickelt. Er ist mit einem Bus unterwegs, der ihm gleichzeitig als Wohn- und Rückzugsort, Atelier, Fotolabor und Ausstellungsraum dient und allein durch seine Präsenz Menschen aus der Umgebung anzieht. Wenn er als „Captain Klaus“ das Nomadic Village anführt, mutiert der Bus zum Rathaus, um das sich Fuhrpark und Infrastruktur der kleinen Gemeinschaft gruppieren. Sich das Recht herauszunehmen, Plätze zu benutzen und den öffentlichen Raum zurückzuerobern, ist dabei ein wesentliches Motiv. Die FOTOGALERIE WIEN zeigt in ihrem Kino zwei Videos, die den Prozess des Ankommens und Einlassens auf den jeweils neuen Ort dokumentieren, sowie Arbeiten aus der Nomadic Village Travelling Exhibition, die im Rahmen dieses Projekts entstanden sind. Für die Dauer der Ausstellung wird der Künstler regelmäßig bei Kaffee und Kuchen als Geschichtenerzähler anwesend sein.
Tim Sharp, geboren 1947 in Schottland und seit 1978 in Wien lebend, reagiert mit seiner Arbeit Hearsay auf einen Kongress der Reisebürobranche und dessen Begleitumstände in San Cristobal de las Casas, Chiapas Mexico. Für das Event wird die Stadt aufgeputzt und exzessiv bemalt. Das Paradoxe daran: „Abenteuertourismus“ bedeutet hier nicht, das Andere und Fremde zu entdecken, sondern es geht um Profit, Macht und Land. Für das Spektakel wird ein Markt, die Existenzgrundlage vieler indigener Menschen, geschlossen, und als „Ersatz“ werden Mestizen oder Mannequins in traditionellen Kostümen im Zelt der Messe-Reiseagentur eingesetzt. Um in dieser Zeit doch noch ein Einkommen zu haben, sehen sie sich gezwungen, Frontwände und Türen anderer Geschäfte anzumieten und dort Souvenirartikel anzubieten. In einem großformatigen Tableau stellt Sharp Fotos und Dialogfragmente, die er vor Ort aufgeschnappt hat, zusammen, die die Ereignisse dokumentieren. Auf diese Weise erinnert Hearsay an einen Zeitungsartikel, reflektiert aber auch als Wand-Arbeit eine wesentliche Bedeutung öffentlicher Flächen: Wem wird das Recht zugesprochen, seine Botschaften zu verbreiten?
(textliche Betreuung: Philipp Levar)