Eröffnung: Montag, 1. September 2008 um 19.00 Uhr
Einleitende Worte: Ruth Horak
Der diesjährige Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN umkreist einen der existenziellsten Aspekte unseres Lebens: die Liebe In drei Ausstellungen – Suche, Ist und Scheitern – spannt sich der Bogen um ein diffiziles, fragiles und emotionales Thema.
Liebe – Ist – was und wie ist diese Liebe, auf die man sich einlässt und die man leben möchte? 11 KünstlerInnen untersuchen, durchleuchten, umkreisen diesen Ist-Zustand und vereinen in der Ausstellung die unterschiedlichsten Facetten dieses schönen und zugleich schwierigen Themas: Die Ode an das pralle Glück, die Suche nach der Zartheit respektvoller Liebe in Berührungen, die Vertrautheit in lustvoll gelebten Sexualitäten, die Angst vor dem Versagen, die inneren Zerreissproben … Die Liebe ist einzigartig und immer anders. Sie passt sich keinen Normen an. So ist jede Position ein individuelles Liebesgedicht über den Mut der Hingabe.
Arnis Balcus durchbricht in Myself, Friends, Lovers and Others die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre; er richtet die Kamera auf sich und seine Generation (im Stil von Nan Goldin oder Wolfgang Tillmans). Seine schnappschussartigen Fotografien sind Studien über Sexualität, Zärtlichkeit und Vertrautheit, in denen das unbekümmerte, sehnsüchtige und zugleich auch verworrene Lebensgefühl sehr junger Menschen eingefangen und visualisiert wird.
Hermann Capors Arbeit Man sieht was man sieht ist zugleich Serie und Einzelfoto. Der zeitliche Ablauf eines „la petite mort“ zeigt die Veränderungen in den Gesichtszügen einer Frau. Die Sekunden der Ekstase werden vorsichtig gesammelt und konserviert – eine Hommage an die Sexualität und das Spiel zwischen Mann und Frau, wobei die Kamera die Position des Liebhabers einnimmt. Weder Voyeurismus noch Normen der Pornografie werden hierbei befriedigt. Die Arbeit verdeutlicht Vertrautheit und respektvolle Vorsicht im Umgang mit der zerbrechlichen Vergänglichkeit von Liebe.
Angelika Krinzingers Detailaufnahmen führen das Auge fast bedrohlich nahe an die empfindsamsten und intimsten Körperstellen heran. Anonymisiert und gleichzeitig direkt, wird die Haut zur Grenze von Persönlichkeit und Außenwelt und zugleich ein Ort der Kommunikation zwischen Menschen. Berührungen als Momente der Sinnlichkeit und Verletzlichkeit zugleich. Die abstrakte Qualität der Großaufnahmen entführt die BetrachterInnen in eine emotionale „Landkarte“ möglicher Empfindungen und Prägungen.
Paul Albert Leitner zeigt die SerieThe Miracle of Love. Leitner – der Reisende, der Flaneur, der Beobachter, der Sammler von Eindrücken. Mit seiner Kamera hält er die Poesie des Moments und des Ereignisses fest. Sein über die Jahre angewachsenes, umfangreiches Bildarchiv beherbergt auch eines seiner Hauptthemen: die Liebe. Bildfundstücke des öffentlichen Raumes wie Plakate, Schaufenster, Menschen, sowie Zeitungen und Filme werden für die Ausstellung zusammengetragen und in einer aus Kopien bestehenden Plakatwand verdichtet.
Brigitte Niedermairs ironisierende Bildwelten (Lets go fishing und do we need all this) thematisieren die sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Sie inszeniert Gegenstände und Objekte, die mit Sexualität in Verbindung gebracht werden, zu sinnlichen Stillleben und untersucht in ihrer Arbeit die Positionierung der Frau mit einer aktiven Sexualität. Dabei entwirft sie feministische Rollenbilder wie die Frau als Jägerin.
Marleen Noordergraafs fotografische Reise (Das Potential der Liebe) fokussiert das Absolute – im Sinne von Roland Barthes – , das „Punktum“ der Liebe. Wie in einer mythischen Erzählung versucht sie den flirrenden Moment einzufangen, bei dem sich die Gestalt der Liebe zeigt. Immer im Zwiespalt mit vorgegebenen und prägenden Vorstellungen und Idealen materialisiert sich die Liebe oftmals anders als geplant. Noordergraaf führt lange Gespräche mit den Menschen, die sie vorab auf der Strasse anspricht und in weiterer Folge, von dem Moment an, wo sie „vergessen“ wird, fotografiert. Analytisch, einfühlsam und ungestellt präsentieren sich die Fotoarbeiten, bei denen die Kamera als beobachtendes Objekt in den Hintergrund tritt.
Georg Petermichls / Martin Sulzbachers Deep and Mighty ist ein kurzer Abenteuerfilm, der vom Mythos des Menschen, der angstfrei und der Zivilisation überdrüssig den Kontakt mit der Natur sucht und sich ihr „aussetzt“, handelt. Das Video zeigt ein Paar, dass unbekleidet in die Dunkelheit der Nacht eintaucht und als Metapher des sich „gegenseitigen Aussetzens“ gelesen werden kann. Das Einander-Vertrauen der Protagonisten ist spürbar. Als musikalische Einbettung der Handlung dient der Song „I am a Rock“ von Simon & Garfunkel: I am a rock; I am an island; and a rock feels no pain; and an island never cries …
Willy Puchners Serie Liebe im Alter zeigt ein ungewohntes Bild: alte Menschen, die einen Neubeginn miteinander wagen, sich nochmals der Liebe hingeben und sich erst nach ihrem 70sten Lebensjahr kennengelernt haben. Er portraitiert diese und versucht dabei auf Posen zu verzichten. Seine Aufnahmen zeigen auf behutsame und einfühlsame Art Momente des Privaten, des Einander–Zugewandt-Seins. Umarmungen, Berührungen – die Schönheit und der Mut echter Gefühle in der Randzone des Alters. Ein Tabuthema innerhalb unserer Gesellschaft.
Fiona Rukschcio: Sprechende Bilder (MausiSchatzi): Mausi, Schatzi, Darling, Cherié …, die helfen, das Fehlen des Partners vor Ort zu lindern. Der Facettenreichtum von Kosenamen ist schier grenzenlos – changierend zwischen Peinlichkeit, Herzigkeit, Vertrautheit und Privatheit. Rukschcios Modelle fungieren zweifach als Portrait: Einerseits gibt ihr Auftreten, ihr Verhalten, ihre Kleidung und ihre Sprechweise Aufschluss über die Persönlichkeit der Benennenden sowie der Benannten und deren gesellschaftliche Verortung; andererseits lässt der Kosename und die Mimik beim Aussprechen desselben Rückschlüsse auf die Paarbeziehung zu.
Claudia Schumanns fotografische Doppelbelichtungen (revolution liebe) sind kaleidoskopische Introspektionen. Unterschiedliche emotionale wie zeitliche Momente werden überlagert, die von einer Liebe erzählen, die zwischen Euphorie und Schmerz, Nähe und Distanz, Bergen und Verbergen schwankt. Aspekte von Leidenschaft, Affekt und im speziellen Körperlichkeit werden durch die Verdopplung in der Arbeit selbst unterstrichen: Einerseits durch Hervorhebung in den Abbildungen und andererseits in der gewählten Präsentationsform als „Bildkörper“ – als Objekt.
(textliche Betreuung: Ruth Horak)