Eröffnung: Montag, 9. Mai 2016 um 19 Uhr
Einführende Worte: Ruth Horak
sponsored by: BKA Kunst; MA7-Kultur; Cyberlab, Bezirkskultur Alsergrund
Fotografie und Licht gehören so eng zusammen wie Telefon und Ton. Das Licht ist nicht nur eine Voraussetzung für jedes fotografische Bild und entsprechend im Namen des Mediums manifest, sondern auch verantwortlich für entscheidende Entwicklungen rund um die Fotografie. Licht war und ist aber nie nur Voraussetzung für das Fotografieren, sondern immer auch eine Herausforderung. Und gerade im künstlerischen Bereich, wo oft auf die Bedingungen des verwendeten Mediums Bezug genommen wird, ist das Licht eine jener vielseitigen Komponenten der Fotografie, die zur Reflexion anregt. Im diesjährigen Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN steht das Licht einmal mehr als Akteur im Mittelpunkt: In den drei Ausstellungen Lichtexperimente, Lichträume und Lichtqualitäten spielt es sowohl eine ideelle als auch formgebende Rolle: das Licht als Phänomen, als Kontrast zur Dunkelheit, als Thema und Motiv, sein Einfluss und seine unmittelbaren Auswirkungen auf das Dargestellte und die verwendeten Materialien. Wie kann das Licht festgehalten und sichtbar gemacht werden, wie im Raum installiert, von welchen Lichtqualitäten, -quellen oder -temperaturen sprechen wir, und wie subjektiv ist unsere Wahrnehmung im Vergleich zu dem, was die Apparate aufzeichnen?
Im ersten Teil der Trilogie, den Lichtexperimenten, ist sowohl in einfachen und schlüssigen, als auch in aufwändigen und intensiven Versuchsanordnungen der unmittelbare Effekt des Zusammenspiels von Licht, der unterschiedlichen Lichtquellen und des lichtempfindlichen Materials zu beobachten. Wie nimmt der menschliche Sehapparat das Licht wahr, wie der Fotoapparat bzw. der verwendete Film? Durch welche Eingriffe und zusätzlichen Instrumente (Blitze, Langzeitbelichtungen, Leuchtraketen) gelangen die Künstler zu Bildergebnissen, in welchen das Verhältnis von Licht, Zeit und Aufzeichnung verändert wurde?
Robert Bodnars Whiteout Horizon ist wie eine Interpretation des maschinellen Scanvorgangs zu lesen. Er übersetzt buchstäblich die kontinuierlich „fahrende“ Licht-Bewegung eines Scanbalkens in eine reale Situation, nämlich eine Bootsfahrt. Er ließ ein mit einer Leuchtstoffröhre ausgestattetes Boot bei Dämmerung in ca. 50 Meter Entfernung parallel zum Ufer fahren (Bootsfahrt und Belichtungsdauer: vier Minuten) und erzielte damit keine herkömmliche Langzeitbelichtung, sondern eine – wie beim Scannen – Kompilation aus vielen Kurzzeitbelichtungen, was vor allem in den scharf abgebildeten Wellen des Sees sichtbar wird.
Lukas Heistinger thematisiert den kausalen Zusammenhang von Licht und Zeit für die Fotografie bzw. den Blitz als extremen „Vermittler“ zwischen den beiden. Als Errungenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts half der Blitz, bis dahin für das Auge Unsichtbares, wie zu rasche Bewegungsabläufe, zu erschließen. In dem gerade einmal einminütigen Video Der Ultrakurzzeiteffekt und was es noch zu wissen lohnt (2008) bezieht sich Heistinger auf ein Fotolehrbuch über Blitzfotografie aus den 1950er-Jahren und zitiert in sieben Szenen, die nur für einen Sekundenbruchteil sichtbar sind, jedoch als Nachbilder im Auge verweilen, schematische Darstellungen aus dem Buch und verschränkt diese mit Referenzen aus der Foto- und Videokunstgeschichte wie Rodney Graham’s Illuminated Ravine, William’s Produktfotografie oder Muybridge’s Tanzende, in welchen dem Fotoblitz als Objekt eine maßgebliche Rolle zukommt.
Hans Kupelwieser schließt die beiden Grundlagen der Fotografie, Licht und lichtempfindliches Material miteinander kurz, ohne den Umweg über ein Objekt zu nehmen. Für seine Luzidogramme und Lichtzeichnungen hat er Vorrichtungen entwickelt, aus welchen Licht über kleine Öffnungen austritt und entweder – ähnlich einem Fotogramm – seine Abdrücke direkt hinterlässt, wenn das Fotopapier den Lichtgenerator umschließt, oder als Folge einer Projektion, wenn Lichtquelle und Papier in Distanz zueinander stehen. Wird der kleinere der beiden Leuchtkörper bewegt, schreibt sich das Licht in Form von feinen Lichtzeichnungen am Fotopapier ein, die Strichstärke hängt von der Geschwindigkeit der Bewegung ab.
Harald Mairböcks Serie Cubes aus der Werkgruppe a picture is a camera is a picture ist ein Beispiel für einen ganz unmittelbaren Einsatz. Eine aus Fotopapier gefaltete Lochkamera zieht mehrere Parameter der Fotografie zusammen: Apparat und Bild, Prozess und Material. Sichtbar sind die Faltungen, also die Spuren der vormaligen Verwendung als Apparat, das Einstichloch der Nadel („pinhole“), also die Spuren der Lochblende und letztlich die Aufnahme, die Spuren des einfallenden Lichts, inklusive räumlicher Perspektive, wie es für jede Lochkamera gilt.
Auch Jaromír Novotný reduziert die Fotografie ähnlich radikal auf ihre Fundamente, auf lichtempfindliches Papier und Entwickler-Chemie, mit der Absicht, nichts anderes abzubilden, als die Reaktion der jeweiligen Beschichtungen mit dem Licht. Als Maler interessiert sich Novotný für die im Medium verkehrte Logik, “that the colour black is created by lighting“ bzw. für die den S/W-Fotopapieren eigentümlichen Farbtöne, von Cremeweiß und Beige über Lila zu bräunlich oder grünlichem Grau, die eine neue Farbpalette für ihn eröffnen.
Hans-Christian Schinks schwarzweiße Panoramen zeigen die faszinierende Vielfalt der über unseren Globus verteilten Landschaften und scheinen als solche in der Tradition der klassischen Landschafts- und Reisefotografie zu stehen. Wären da nicht die Fremdkörper am Himmel, die die Idyllen stören, ähnlich wie Leuchtstoffröhren, die sich in einer Fotografie spiegeln und deren Homogenität brechen. Der Übertitel der insgesamt rund 40-teiligen Serie, 1h, erhärtet einen Verdacht: Die lange Belichtungsdauer während der Aufnahmen hat den Verlauf der Sonne als solarisierte schwarze Linie abgebildet. Die unterschiedlichen Winkel dieser Sonnenlinien hängen von den Koordinaten des Aufnahmeortes bzw. des -zeitpunkts (aufgehende oder untergehende Sonne bzw. Jahreszeit) ab. Schink zeichnet damit eine kameraspezifische Wahrnehmung von Licht auf, die dem Auge in der Realität verwehrt ist.
Auch Werner Schrödl spielt Dunkelheit und Licht gegeneinander aus: Mit Lichtraketen erhellt er die Nacht um 40.000 Candela und filmt die so gewonnenen Lichträume, die vom Winkel der auf ca. 250 m Steighöhe gebrachten Signalpatronen abhängen. Was an Zeitrafferaufnahmen der wandernden Sonne erinnert, sind Licht-Schatten-„Läufe“ von nur 8 bzw. 12 Sekunden, in welchen die Landschaften in irreale Zustände versetzt werden. Die Zuschauer werden irritiert vom Flackern und von den unerwarteten Bewegungen, mit denen die Schatten die ansonsten stillen Szenen übergießen.
(textliche Betreuung: Ruth Horak)