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Ausstellungen

KAROE GOLDT / CLAUDIA PILSL

5. März 2002 – 3. April 2002

Claudia Pilsl (AT), Karø Goldt (DE)

KAROE GOLDT

Karoe Goldt: Grundlage zu allen Filmen sind Fotos; analog wie digital. Diese wurden am Computer bearbeitet und animiert. Alle in der Ausstellung gezeigten Filme sind von Rashim (Yasmina Haddad, Gina Hell). vertont. Die Filme zeigen nicht eine Möglichkeit der Virtualität, sondern eine Tatsache der Realität. Norbert Pfaffenbichler zu ILOX: „Kaum merklich verändern sich vertikale, vor allem rote Farbflächen diskontinuierlich zum rhythmisch krachenden und knacksenden Soundtrack von Rashim  Hinter dem farbigen Streifenbild scheint manchmal schemenhaft der Schatten eines Zweiges durch. Gerade durch diese radikale Reduktion baut das Werk ein enormes Spannungsfeld auf. Karoe Goldt animierte hierfür über 2000 digital manipulierte Fotografien, die sie von einerPflanze mit roten Beeren ohne Blattgrün namens „Ilox“ angefertigt hatte. Deutlich zu erkennen ist auch der Einfluß der „Color Field“-Painter, wie etwa Mark Rothko oder Ad Reinhardt auf die Autorin, die über Malerei und Fotografie zum Bewegungsbild gefunden hat. Obwohl Ton und Bild getrennt voneinander, aber in permanenter Auseinandersetzung über die Aussage und Form produziert wurden, gelingt es den drei Künstlerinnen, harmonische Übereinstimmung durch eine Form von lyrischem Minimalismus im jeweiligen Medium zu erreichen. So treten Karoe Goldt und Rashim mit dieser Arbeit den Beweis an, daß konsequent durchstrukturierte Abstraktion fesselnder sein kann, als jeder Thriller.“

Barbara Pichler: „ … Ebenfalls sehr reduziert und doch völlig anders im Zugang präsentiert sich Karoe Goldts Arbeit ILOX zur Musik von Rashim. Bestimmt von Einflüssen aus der amerikanischen abstrakten Malerei – vor allem an Rothko fühlt man sich erinnert – , sieht man eine Abfolge von Farbflächen, rhythmisiert durch den Ton. Nicht nur ist die Bildsprache im Rahmen der digitalen Produktion sehr ungewohnt, auch die Arbeitsweise unterscheidet sich von der anderer Teams. Die Künstlerinnen diskutierten Ideen, dann wurde getrennt gearbeitet. Die daraus entstandene Synthese erinnert durchaus an Experimentalfilmklassiker wie Oskar Fischinger; man kann sie, um auch einen Begriff aus dem Bereich des experimentellen Films zu bemühen, als „visuelle Musik“ bezeichnen …“

 

CLAUDIA PILSL

Roy Exley, Ausschluß der Details: Claudia Pilsls Museumstransformationen: „Seit 1994 hat Claudia Pilsl immer wieder ihrer Liebe zu den Innenräumen von Museen aktiv  Ausdruck verliehen. Durch ihre anarchischen Eingriffe in diese Räume hat sie neue Beziehungen zu deren unverkennbarem Aussehen hergestellt. Indem sie auf dem Wege der dekonstruktiven Zergliederung ihrer Fotografien von diesen Räumen diese ihres Inhalts entkleidet und die Details entfernt, offenbart sie durch die Reduktion ihre durchbrochenen und zerklüfteten Überreste als skelettartige Zeugnisse ihrer architektonischen Entstehungsgeschichte. Das ist kein kathartischer Prozeß, bei dem einfach aufgeräumt wird, sondern ein Transformationsprozeß. Im Unterschied zu der strukturellen Anarchie, die Bildhauer wie Gordon Matta-Clark oder Richard Wilson bei ihren Versuchen, zu transformieren und umzuordnen, Gebäuden aufoktroyiert haben, hinterlassen Pilsls dekonstruktive Aktionen keine Unordnung, die hinterher beseitigt werden muß, da sie aus der Distanz ausgeführt werden. Die Tabula Rasa, die Lücken, die jeweils dadurch geschaffen werden, daß sie die Exponate von den Wänden und die Türen aus ihren Rahmen entfernt, bieten der Phantasie des Betrachters ein ergiebiges Feld, eine Leere, die reif ist für die Schaffung neuer Bedeutungen und neuer Kontexte. In Pilsls interaktiven Installationen, in denen wir mit diesen veränderten Bildern umgehen und sie einander entgegenhalten können, wird der Betrachter dazu ermächtigt, diese Innenräume immer wieder umzuordnen und neu zu erfinden und damit Hans Robert Jauss’ Rezeptionstheorie – der zufolge der Betrachter das Werk durch seine/ihre je einzigartige Wahrnehmung desselben erst vervollständigt – auf neue Ebenen führt.

Das formale Volumen diese Innenräume wird hier radikal verwandelt. Ihre Identitäten werden verlagert, ihre Erscheinungsformen kehren zu ihren konzeptuellen Ursprüngen zurück. Sie sind nicht mehr die zweckdienlichen Behälter für künstlerische oder historische Exponate sondern präsentieren sich wieder in der unverstellten Dynamik der Form voller Möglichkeiten, die der Architekt manipuliert hat, um seine Lösungen zu erzielen. Bildhauerische Resonanz durchdringt diese Räume. Ihrem Volumen, das aus einander entgegengesetzten festen Körpern und Leere besteht, wird eine kompositorische Spannung verliehen, die dazu dient, die Wirklichkeit des hier Betrachteten zu verdecken. Pilsls bildliche Objektifizierung dieser institutionalisierten Schreine der Kunst erfüllt sie auf eine gewisse Weise mit Energie, ihre räumliche Dynamik gewinnt dadurch neuen Schwung. Was hier aufgedeckt wird, ist eine Inkongruenz des Zwecks, In der Abwesenheit von Kunst werden diese Räume in einen neuen ontologischen Modus versetzt – anstatt Hintergrund, Träger der Exponate zu sein, erlangt ihre nunmehr beeindruckende Präsenz eine neue Bedeutung.

Die Freiheiten, die sich Pilsl mit diesen durch ihren Institutionsstatus sakrosankten architektonischen Schöpfungen erlaubt, mag anfangs schockierend wirken, doch gleich darauf erfahren wir eine Art Erleichterung, wenn wir erkennen, daß sie diesen Räumen die Möglichkeit gegeben hat, wieder atmen zu können, noch einmal zu diesem Geist von Schaffenskraft und Erfindungsdrang zurückzukehren, aus dem sie ursprünglich entstanden sind. Wir werden in diesen Räumen aktive Teilnehmer und nicht nur passive Beobachter. Pilsls transformierende Handlungen geben dem Betrachter letzten Endes Macht und setzen damit die kreativen Prozesse fort, die das Sein dieser Räume durchdringen – eine Bestätigung dafür, daß ein Prozeß ein Kontinuum sein muß, weil die Versteinerung sonst unvermeidlich wird.