Mit vier Ausstellungen von eigenwilligen Arbeiten wollte das kuratorische Kollektiv der FOTOGALERIE WIEN das Thema Installationen – Arbeiten im Raum beispielhaft darstellen. Dazu wurden fünf KünstlerInnen eingeladen, die präzise, aber sehr unterschiedliche Standpunkte vertraten. Diese Reduktion auf wenige Aspekte, mit räumlichen Komponenten zu arbeiten, schaffte durch das Ausschnitthafte Unschärfen. Durch diese Unschärfen aber wurden Versuche unternommen, sich Klarheit über einige Phänomene in der Fotografie zu verschaffen (nach Josef Wais, Katalog).
Die vierte und letzte Ausstellung bestritt Brigitte Kordina. Seit vielen Jahren spielt das Phänomen „Licht“ eine konstitutive Rolle im Werk von Brigitte Kordina. Auch in ihrer neuen Installationsarbeit in der FOTOGALERIE WIEN bildet es eine formale, ästhetische und thematische Konstante. Die „photographische“ Realisation schafft dabei eine weitere, „mediale“ Dimension in ihrer Auseinandersetzung mit „Licht“, insofern das photographische Bild per se eine „Schrift des Lichtes“ ist (eben Photo-Graphie).
In der Geschichte des Denkens über Licht gibt es zwei diametrale Diskurse: den naturwissenschaftlichen (physi-kalischen) und den mythologischen (spirituellen bzw. transzendenten). Beiden Diskursen ist inhärent, daß sie Licht als Strahlung (physikalisch/transzendent) und als Reflexion (Licht-Brechung/göttliche Emanation) begründen. Bei der neuen Arbeit von Brigitte Kordina verschränken sie sich. Über einen Spiegel werden natürliche Lichtstrahlen auf fünf weitere Spiegelscherben projiziert, die selbst wiederum diese Lichtstrahlen auf eine Wand werfen. In diesem physikalischen Prozeß wird das Licht gewissermaßen „metaphorisiert“, die (physikalische) Materialität des Lichtes mit seiner immateriellen Qualität konfrontiert. Das Licht als Schein „erscheint“ in der photographischen Installation sowohl als materielle als auch als transzendente „Spur“. Dieses (mediale) Vermögen verweist hier auf eine thematische Perspektive: die Frage nach der existentiellen Transgression im Angesicht des Lichtes.
Licht produziert Wahrnehmung und damit verbunden den „visuellen“ Raum. Dieses anthropologische Phänomen wird in der photographischen Installation in mehrerer Hinsicht aufgegriffen. Die Künstlerin reflektiert mittels Licht selbst wiederum das Licht. Das Luminöse als unendliche, auch metaphysische Raumkonstruktion wird dabei in der horizontalen, endlos scheinenden Linie, die durch alle Photographien verläuft, sichtbar. Die „blinden“ Spiegelscherben – im Gegensatz zum Licht, das sie reflektieren, erscheinen sie beinahe als schwarze Flecken im Bild – verweisen auf einen zusätzlichen Aspekt von Licht, auf dessen Kehrseite: die „Blendung via Licht infolge von zu intensivem Licht (im übrigen kennen wir diesen Effekt auch im photochemischen Prozeß selbst, wo Licht die photochemische Substanz beim Negativ schwärzt und eine zu starke Lichtdosis die Schwärzung photochemischer Positive zur Folge hat, etwa der sogenannte Sabattier-Effekt). Brigitte Kordina setzt diesen Aspekt allerdings symbolisch: Wahrnehmung als rationaler Prozeß kann auch Blendung bewirken.
Wenn wir Wahrnehmung und Erkenntnis nicht nur als rationale Kategorie begreifen (und das Gegenteil von Rationalität nicht als Irrationalität setzen), sondern als eine andere/weitere Form von Rationalität verstehen, impliziert die Auseinandersetzung mit Licht auch das Dispositiv der Empfindung: Wahrnehmung und Emotionalität sind im Perzeptionsprozess dialektisch gekoppelt. Indem Licht semantisch sowohl Aufklärung (Aufhellung) als auch Verklärung (Mystifizierung) zu bedeuten ver-mag, ist der luminöse Blick letztendlich perplex: sprachlos leuchtend und diaphan verblendend …
(Carl Aigner: Brigitte Kordina – „Diaphane Blicke“)