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Ausstellungen

INSTALLATIONEN – ARBEITEN IM RAUM III

Margriet Smulders

8. September 1994 – 1. Oktober 1994

Margriet Smulders (NL)

Kataloge | Schwerpunkt: INSTALLATIONEN – ARBEITEN IM RAUM 1994

Mit vier Ausstellungen von eigenwilligen Arbeiten wollte das kuratorische Kollektiv der FOTOGALERIE WIEN das Thema Installationen – Arbeiten im Raum  beispielhaft darstellen. Dazu wurden fünf KünstlerInnen eingeladen, die präzise, aber sehr unterschiedliche Standpunkte vertraten. Diese Reduktion auf wenige Aspekte, mit räumlichen Komponenten zu arbeiten, schaffte durch das Ausschnitthafte Unschärfen. Durch diese Unschärfen aber wurden Versuche unternommen, sich Klarheit über einige Phänomene in der Fotografie zu verschaffen (nach Josef Wais, Katalog). 

In der dritten Ausstellung zum Schwerpunktthema Installationen – Arbeiten im Raum wurde die Künstlerin Margriet Smulders präsentiert.

Frau-Sein und Künstlerin-Sein ist keine selbstverständliche Kombination, obwohl die Geschichte viele Beispiele hervorragender Malerinnen und Fotografinnen kennt. Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß die brisante Ausein-andersetzung zwischen der bürgerlich-konventionellen Frau und der avantgardistischen Künstlerin in vielen Oeuvres einen zentralen Platz einnimmt. So auch in Margriet Smulders Werk. Man wird durch eine kühne, sogar schockierende Darstellung überrumpelt: Schlüpfrige, glänzende Fische in Netzstrümpfen, schwüle Bordellzimmer, einladende Frauenporträts zeigen den Weg zu einer Phantasiewelt, wo all das gestattet ist, was (für Frauen) verboten ist.
Smulders Frühwerk besteht zum größten Teil aus Gemälden; das spätere Werk aus Objekten und Fotos. Ihr Gesamtwerk ist gekennzeichnet durch eine offene oder verborgene Aggression. Smulders Kommentar zum Werk Das Fischweib: „Sie zeigt sich hüllenlos, aber das heißt nicht, daß sie eine Prostituierte ist. Man bekommt eine Ohrfeige, wenn sie einen nicht mag.“
Die Rebellion gegen die bürgerlich-konventionelle Frau ist um folgende Themen zentriert: „Prostituierte“ (bezahlte Sexualität), „Vampir“ (die aggressive Verführerin) und das „süße Mädchen“ (Rollenstereotypen). In zahlreichen Selbstporträts, die Ähnlichkeiten mit Frida Kahlos und Cindy Shermans Werken zeigen, werden die oben genannten Themen miteinander verknüpft. Im differenzierten Bildzeichenspiel ergibt sich ein offener, noch undefinierter Raum: die Gretchenfrage wäre: „Wohin führt das Verlangen der Frau?“ Smulders bleibt die Antwort darauf schuldig. Sie verfährt vielmehr „ex negativo“.
Sie kritisiert die Anpassung auf stilistischem Niveau. Für sie ist jede Stilisierung – auch eine ästhetisch begründete – verpönt. Sie antwortet darauf mit Kitsch, sinnlichen Farben, Stilbrüchen, Zitaten und mit einer deutlichen und totalen „Verbildlichung“ der Frau. Blumentapeten aus Großmutters Zeiten, Plüschlampen, Kuriositäten, Nippsachen, sanfte, hautähnliche Stoffe werden als massiver Angriff auf eine marode Ästhetisierung der Alltäglichkeit angehäuft. Die „neue Häßlichkeit“ weist eine Affinität zum postmodernen Design der Memphisgruppe auf.
Den Höhepunkt dieser Kitschsprache bildet „die kleine rosarote Stube“. Hier sind alle Elemente von Smulders Werk auf subtile Weise zusammengebracht worden. Das Zimmerchen ist ein an Kienholz erinnernder Raum. Die Farben und Atmosphäre erzeugen Assoziationen zu Bordellzimmern. Eine gedämpfte Geigenmusik mit nostalgischen „Oldies“ umrahmt das Ganze, so daß auch Zärtlichkeit evoziert wird. Wenn man das Innere des kleinen Zimmers betrachtet, scheint es, als sei gerade jemand weggegangen, oder werde in wenigen Minuten eintreten. Ein erwartungsvolles und neugieriges Gefühl mischt sich mit einer sentimental anmutenden Zärtlichkeit. In zweiter Instanz wird diese Atmosphäre grausam zerstört. Wenn man zufällig eine Hand auf die Kommode, die zum Ablegen von Kleidern und als Souvenirkasten dient, legt, greift man unversehens in einen toten Fisch. Der Schock ist offenkundig; er zerstört die Atmosphäre, macht sie ambivalent. Auch die Lämpchen und das Bett verlieren ihren harmlosen Charakter und wirken herausfordernd. Der Zuschauer fängt blitzartig an, alle Dinge aus ihrer Selbstverständlichkeit zu rücken und aufs Neue zu ordnen. Eine außerordentlich emotionelle und dramatische Aktion. Man wird an die Schockwirkungen der Fotos von Diane Airbus erinnert. Smulders verführt den Zuschauer gleichfalls zu einer solchen Betrachtungsweise, die er nur unter Protest akzeptieren kann. Die Anziehung und die Abschreckung werden so zu einem Vexierspiel, das Smulders nicht weiter erklärt. Und genau diese andauernde „Verwunderung über die Dinge“ ist die Triebfeder im Werk von Margriet Smulders. (Margret Brüchmann: Margriet Smulders. „Kirmes, Kitsch und tote Fische“)