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GEORGISCHE KÜNSTLER_INNEN IN DER FOTOGALERIE WIEN

8. Juli 1999 – 31. Juli 1999

Irene Abzhandadze (GE), Natela Grigalashvili (GE), Yuri Mechitov (RU), Georgi Sumbadze (GE), Oleg Timchenko (GE), Gogi Tsagareli (GE), Nikoloz Tsetskhiadze (GE), Guram Tsibakhashvili (GE)

Fotografie – ein Spiegel

Fotografie – ein Spiegel, der alles genau wiedergibt und in seinem Rahmen „gefangen“ nimmt. Ihr Sujet ist die „Wirklichkeit“, in der die Fotokamera unerwartet etwas Phantastisches, nicht Reales findet. Die unterschiedliche Sicht auf diese „Wirklichkeit“ und auch die unterschiedlichen Bedingungen von „Wirklichkeit“ ergeben in der Fotografie eine Vielfalt nationaler Ausprägungen und individueller Äußerungen. Die Geschichte der georgischen Fotografie beginnt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ist überwiegend von der Dokumentarfotografie geprägt. Dadurch konnte ein genaues, detailgetreues Abbild von Wirklichkeit – der damalig herrschenden Atmosphäre, Zeit, Mode, etc. – archiviert werden.
Der erste erwähnte georgische Fotograf, Alexander Roinischwili, stellte ein Album über archäologische und geschichtliche Exponate zusammen, welches neben seinem dokumentarischen Wert einen ebenso großen künstlerischen Wert darstellt. Es beinhaltet nämlich auch Werke und Sammlungen anderer zeitgenössischer Künstler wie zum Beispiel von Ermakov (dessen Sammlung schon im Jahre 1901 ca. 2500 Negative und 3000 Stereopaare enthielt). Erwähnenswert sind auch – neben anderen – Sanis und Engels.
Schon im Jahre 1894 existierte die „Gesellschaft der Fotoliebhaber Tbilisi“, die im Jahre 1895 ihre erste unabhängige Ausstellung präsentierte. Später wurde der Name in „Fotografische Gesellschaft vom Kaukasus“ umgeändert. Dies war der erste Schritt in der künstlerischen georgischen Fotografie, welcher eine große Anregung auch für spätere Entwicklungen war (ungeachtet kleinerer „Rückschritte“, die durch den Druck besonderer Regime oft vorgekommen sind).
In den folgenden Perioden muß besonders die Fotokunst von Guram Tikanadse hervorgehoben werden, und auch das Wirken des Fotoklubs „Georgien“ mit seinen zahlreichen Ausstellungen und Erfolgen in weltweiten Fotowettbewerben.

Die „kurze“, wenngleich auch wichtige Geschichte des zweiten nationalen Fotoklubs „Ansicht“ begann 1985. Seine Mitglieder: Yuri Mechitov, Guram Tsibakhashvili, Dato Sulakwelidse, Boris Schawerdiani, Marian Kiladse. Dsano Demetraschwili und Gia Dshawelidse waren in ihren künstlerischen Anschauungen und Zielen zu unterschiedlich, sodaß dieser Klub sich nach kürzester Zeit wieder auflöste, jedoch sich in weiterer Folge mehrere unabhängige Gruppen und Richtungen formierten.
Die Ausstellung in der FOTOGALERIE WIEN präsentiert die zwei wichtigsten daraus entstandenen Strömungen und Gruppierungen in der georgische Fotokunst:

Dokumentarfotografie: Irene Abzhandadze, Natela Grigalashvili, Yuri Mechitov, Gogi Tsagareli

Künstlerische Fotografie: Georgi Sumbadze, Oleg Timtchenko, Nikoloz Tsetskhiadze,  Guram Tsibakhasvili

In Yuri Mechitovs Arbeiten wird ersichtlich, daß Dokumentation eine Fiktion ist, daß wahre Dokumentation immer nur eine Anregung ist und durch die Persönlichkeit sowie durch die damit verbundene „Auswahl“ und Bildsprache des Künstlers gebrochen wird.

Die Kamera von Gogi Tsagareli fixiert immer interessante Sonderfälle, unerwartete Tatsachen, deren „Wirklichkeit“ oft über die Grenzen menschlicher Empfindung und Erinnerung hinausragt. Fotografische Zeit – in die Gegenwart übertragene Vergangenheit – , Ewigkeit sind seinen Themen.

Die Serien von Irene Abzahandadze sind in der Flüchtlingsstadt Sabirabad fotografiert; die ganze Stadt scheint wie aus dünnen Kartons gebaut zu sein. „Die Reise des fremden Auges“ in der fremden Stadt stellt im Leben ihrer Bewohner etwas Außergewöhnliches, Seltsames dar. Sie schauen in das Objektiv und erscheinen vor diesem viel schöner, fröhlicher und stärker; doch gleichzeitig fixiert das Objektiv die ärmlichen Behausungen und hoffnungslosen Lebensumstände – „Mein Haus ist meine Burg“.

Die Werke von Natela Grigalashvili sind immer in einer bestimmten lokalen Umgebung fotografiert. Ihre Arbeit könnte man als Studien bezeichnen, die das Dasein eines kleinen, einfachen Dorfes Beispielhaft darstellt. Die Art der Darstellung ist demgemäß einfach und begreifbar, wobei ihre Fotografien fernen Erinnerungen gleichen.

Die Kunstfotografie läßt dem Fotografen die Freiheit, sowohl Vorstellung als auch Wirklichkeit zu zeigen. Diese Grundaspekte der Kunst verdeutlichen sich in den Gegenüberstellung innerhalb der Serie „Erklärungen“ von Guram Tsibakhashvili. Die Synthese von Text – sehr präzise, lakonische Wörterbucherklärungen – und Fotografie betont den Unterschied zwischen Gefühl und präziser Erklärung.

Nikoloz Tsetskhiadze arbeitet meist mit Fotocollage; viele seiner Arbeiten gleichen einem farbigen Labyrinth – der Labyrinthmensch sucht hier keine Wahrheit, sondern seine Kindheit.

In der Arbeiten von Georgi Sumbadze ist die Vorstellung – die nur „hinter“ den Fotografien existiert – die wichtigste Komponente. Seine Bilder beschreiben keinen „Bildraum“, sondern sind lediglich durch kleine Details fixiert. Bruchstücke, Beispiele von Umgebung, die nach ihrem kompositorischen Arrangement eine größere Aussagekraft bekommen.

Die Fotografien von Oleg Timchenko sind Selbstportraits, in denen der Künstler seine Individualität verneint und auch die Grenzen zwischen territorialer und räumlicher Unterscheidung aufhebt. „Wenn das Paradies irgendwo existiert, dann ist es von jedem Erdpunkt gleich weit entfernt“, ist die Kernaussage und gleichzeitig Titel seiner Arbeit.

Natia Tsulukidse