Eröffnung: Montag, 4. Dezember 2023, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Johan Nane Simonsen
Konzert: Mittwoch, 17. Jänner 2024, 19.00 Uhr: Jung An Tagen (live)
Öffnungszeiten: Di u. Fr 14.00–19.00 Uhr, Mi u. Do 12.00–19.00 Uhr, Sa 10.00–14.00 Uhr. An Feiertagen ist die Galerie geschlossen.
Die Galerie ist vom 22. Dezember 2023 bis einschließlich 8. Jänner geschlossen.
Mit DIGITAL widmet die FOTOGALERIE WIEN ihre neueste Schwerpunktreihe einem Thema, das unser gesamtes Zeitalter prägt. Es ist keine Fiktion mehr, über Arbeiter:innen zu spekulieren, die den größeren Teil ihrer wachen Lebenszeit mit den Augen auf Bildschirme geheftet verbringen. Der Erdball rotiert unter einem Netz von Satelliten, die kontinuierlich Fotografien von seiner Oberfläche herstellen. Fast jede:r von uns hat einen Computer in der Hosentasche, wir alle werden überwacht, vermessen und in Zahlen ausgedrückt – Null und Eins. Für die Fotografie hatte die Digitalisierung weitreichende Folgen. Manche haben sogar ihren Tod ausgerufen. Aber umgekehrt haben sich fotografische Bildverfahren zu einem wichtigen Prinzip in unserer digitalen Lebenswelt entwickelt. Fotografien werden in nie dagewesener Zahl angefertigt und konsumiert. Über kleine grelle Bildschirme werden Fotografien zur Schnittstelle zwischen Algorithmen und unseren Emotionen, Begierden, Ängsten und Träumen. Wir wagen es, einen Blick auf diese Gegenwart zu werfen und werden in drei Ausstellungen zum Thema DIGITAL einen Abriss über die neuen Technologien und die Reaktionen von Künstler:innen darauf präsentieren. Mit ihnen versuchen wir, das Ungreifbare zu erspüren und seine Potentiale und Gefahren einzuschätzen.
Das dritte Kapitel unserer Schwerpunktreihe widmet sich unter dem Titel GENERATIV der schöpferischen Kraft und der Eigendynamik digitaler Systeme. Hier gelten eigene Regeln: Das Kontinuum der physischen Realität wird in abstrakte Informationen, in diskrete Werte übertragen, das Stoffliche wird zum Text. Es entsteht eine Art Parallelwelt ohne Ambivalenz, ohne fließende Übergänge, ohne verschwimmende Grenzen. In dieser Welt ist es möglich, absolut gültige Gesetze zu etablieren, nach denen klar definierte Prozesse abzulaufen haben. Nach bestimmten Regeln generieren digitale Systeme neue Daten und nehmen diese wiederum als Grundlage für weitere Berechnungen. Auf diese Weise erweitern sie ihre eigenen Möglichkeiten ins potenziell Unendliche. Es scheint mittlerweile, als könne so gut wie alles, jedes Bild, jeder Klang und jeder Text von Maschinen simuliert werden. Mit den digitalen Technologien wurde gewissermaßen die „Schöpfung“ imitiert: Es wurde etwas erzeugt, das wiederum erzeugen kann. Die Ergebnisse dieser Prozesse übersteigen jedoch die Fantasie und Kontrolle ihrer Schöpfer:innen. Vielleicht können wir von Glück reden, dass unsere Maschinen nicht auf Haltbarkeit ausgelegt sind, ganz entsprechend den Vorgaben des marktwirtschaftlichen Systems, das sie hervorgebracht hat.
(Johan Nane Simonsen)
Patrícia Chamrazová zeigt die Videoarbeit The Body a Poem. Die Künstlerin interessiert sich für die Interaktion des menschlichen Körpers mit dem digitalen Raum und die bewusste Überschreitung der Grenzen des physischen Raums ins Digitale. Die Erforschung des somatischen Körpers in der hypriden Realität ist zu ihrem Thema geworden. Das zeitgenössische „Ich“ im Cyberspace umarmt die virtuelle Welt und verwandelt sie in eine weitere Manifestation eines Körpers, der gleichzeitig in der physischen und der virtuellen Welt existiert. Eine digitale Repräsentation von uns in einer virtuellen Umgebung, etwas, das uns manchmal so nahe ist, dass wir es sogar berühren oder fühlen können, obwohl es immateriell ist.
FOLIO ist ein generatives Zeichensystem, das von Matt DesLauriers entwickelt wurde. Dieser Arbeit liegt ein Computeralgorithmus zugrunde, der in der Programmiersprache JavaScript kodiert ist und für eine Eingabe einen Ausgabeprozess erzeugt. Jede Ausgabe kann digital, in gedruckter Form oder durch ein anderes Medium realisiert werden. Die Kompositionen werden nur durch die Verwendung typografischer Glyphen und einer begrenzten Farbpalette eingeschränkt. Ohne Eingabe wählt das Programm standardmäßig eine zufällige ganze Zahl aus. Jedes Mal, wenn dieser Code ausgeführt wird, entsteht ein neues und einzigartiges Kunstwerk, das, wenn es nicht erfasst und aufgezeichnet wird, für immer verloren ist. Das Publikum kann sich mit der Software auseinanderzusetzen.
Mateusz Dworczyk geht in seiner Praxis von einem postmodernen Körperbegriff aus, der den Körper als formbare Entität definiert und seine Stellung als natürliches Objekt hinterfragt. Anhand von neuen Möglichkeiten der Bildproduktion verweist die multimediale Arbeit Procedural Incarnation – Video, Pigment Print, Wandtext – bewusst auf die Wechselbeziehung zwischen Technik, Körper und Körperbild. Ausgehend von digitalen Fotografien von Körpern erzeugt Dworczyk mithilfe von maschinellem Lernen (KI) neue Körperbilder: Das fehlerhafte Bildergebnis, dem eine Aussage über eine fehlerhafte Weltwahrnehmung einer transklassischen Maschine zu entlocken ist, ist zugleich die Vorlage für die dreidimensionalen Körpermodelle. Somit entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlichen Bildgebungsverfahren, aber auch ein Spiel zwischen Vorlage und der künstlerischen Interpretation dieser.
In der skulpturalen Arbeit /imāgō kombiniert Mira Klug Aspekte der Transzendenz, indem sie mithilfe eines Bildgenerators neue Bilder von Votiven aus einem Bildarchiv historischer Votive erzeugen ließ. Der Algorithmus dieses KI-Bildgenerators liefert (unendliche) Rekombinationen dieser von ihr eingespeisten Daten. Die neu erzeugten Votivbilder greifen auf eine Symbolsprache zurück, stellen jedoch unlesbare Formen dar. Anschließend wurden die generierten Votivbilder aus Ton abgeformt und in Wachs gegossen und somit wieder in eine physische Form übertragen. Diese abstrakten und künstlich generierten Formen, in denen historische Ängste und Hoffnungen eingeschrieben sind, stellen durch diese angewandte Methodik Fragen über eine mögliche Zukunft und das Versprechen einer ständigen Verbesserung.
The Forest ist die zweite Installation in einer Serie von Arbeiten von Leo Peschta, die sich mit einer dystopischen Simulation der Umwelt auseinandersetzt. Diese Serie versucht, durch eine technosymbolische Simulation die Betrachter:innen mit ihrer Verbindung zur und Wahrnehmung von Natur zu konfrontieren. Es werden analoge Erscheinungen/Phänomene mithilfe von Motoren, Gelenken, Computern und Algorithmen nachgebaut, die bei längerer Beschäftigung tiefliegende sinnliche Erfahrungen/ Erinnerungen abrufen und trotz ihrer technoiden Form eine emotionale Verbundenheit zwischen Besucher:innen und Installation erzeugen. Dieses Phänomen soll nicht 1:1 simuliert werden, sondern ähnelt vielmehr einer literarischen Umsetzung oder einem abstrakten Gemälde, das die Form in den Hintergrund treten lässt, um eine Stimmung zu transportieren.
Das Objekt Something in the Air von Christine Schörkhuber verwandelt den akustischen Klang menschlicher Sprache in haptisch erfahrbare Luftbewegungen. Die digitale Aufnahme eines gesprochenen Textes wird auf einen Schaltkreis von Ventilatoren übertragen und erzeugt so aus Worten Wind. Durch das Geräusch der rotierenden Motoren und der strömenden Luft können die aufgenommenen Phoneme auch ohne Lautsprecher als schemenhaftes Flüstern wahrgenommen werden. So verweisen sie auf die Beschaffenheit der artikulierten Sprache im physikalischen Sinne.
Every Icon ist eine von John F. Simon, Jr. geschriebene Software mit dem Anliegen, nicht vorstellbare Bilder zu entdecken. Basis ist ein Bild, bei dem jedes Gitterelement weiß ist. Die Software zeigt Kombinationen aus schwarzen und weißen Elementen an, bis hin zu einem Bild, in dem jedes Element schwarz ist. Im Gegensatz zur Darstellung eines einzigen Bildes zeigt Every Icon alle Möglichkeiten. Während Every Icon konzeptionell gelöst ist, ist es in der Praxis unlösbar. Die theoretischen Möglichkeiten übersteigen die Zeitskalen der Physik und der Vorstellungskraft. Every Icon ist ein dynamisches Bild, bei dem die Software außergewöhnliche Dauer mit momentaner Empfindung verbindet. Welche Bilder schön und interessant sind, kann letztlich weiterhin aber nur der Mensch entscheiden.
Petra Noll-Hammerstiel und Johan Nane Simonsen im Namen des Kollektivs