Eröffnung: Montag, 11. Juni, 19:00 Uhr
Einführende Worte: Katharina Manojlović
Finissage und Präsentation des Schwerpunktkatalogs COLLAGE:
Donnerstag, 12. Juli, 19:00 Uhr
sponsored by: BKA Österreich; MA7-Kultur; Cyberlab
Dank an: WUK – Bereich Bildende Kunst: Zurverfügungstellung eines Gastateliers; WUK-Bereich Werkstätten; Werkstätte für Holz und Design, im Besonderen: G. Brandstötter, Kulturabteilung der Stadt Wien (MA7) – Projektsponsoring
Den revolutionärsten Moment in der Entwicklung der Malerei nannte der Dadaist und Dichter Tristan Tzara die Erfindung der Collage und meinte damit den fundamentalen Bruch mit etablierten Formen künstlerischer Repräsentation. In den die Collage bestimmenden technischen Verfahren, im Kleben (frz. coller), Kratzen, Schneiden, Reißen, Falten, Montieren, Assemblieren, Dekomponieren usw. steckt ein radikales Potential. Speisten sich die Papiers collés der Kubisten aus Gebrauchtem, Verworfenem und dem vermeintlich Banalen, umschwärmen uns heute die vielfach reproduzierten, reformatierten und re-editierten Kopien eines beständig anwachsenden digitalen Debris. Der aktuelle Schwerpunkt der FOTOGALERIE WIEN präsentiert in vier Ausstellungen ein breites Spektrum an Methoden und Verfahrensweisen der Collage in der zeitgenössischen Foto- und Videokunst. Sichtbar werden dabei die erzählerischen und autopoetischen Stärken dieser Kunstform ebenso wie ihre Innovationskraft als grundlegender, gerade im Einsatz neuer Technologien oder in räumlich-skulpturalen Erweiterungen zutage tretender Wesenszug. Stets lenken die Bilderdrifts auch anarchische, von Zufall und Spiel getriebene Energien.
Die Abschlussausstellung des Schwerpunktes COLLAGE konfrontiert zwei künstlerische Positionen, die – bei aller Unterschiedlichkeit der zum Einsatz kommenden Mittel – das Interesse an der medienübergreifenden Untersuchung von Raum aus sozialer, kultureller und wahrnehmungstheoretischer Perspektive verbindet. Inwiefern wirkt die (Un-)Gleichzeitigkeit von Abläufen und (historischen) Ereignissen auf deren Darstellbarkeit? Welche Mechanismen und Übereinkünfte lenken unsere Wahrnehmung? In den Werken Larchers und Pammingers sind es kleinste perspektivische Verschiebungen, die Sehweisen ins Wanken bringen und Bedeutung verändern. Ihre Raum(de-)konstruktionen stellen Ordnungen dar, deren Teile nicht bloß als Repräsentationen, etwa der Außenwelt, zu lesen sind, sondern eigenen Grammatiken gehorchen: Kunstsprachen, die aus dem Realen – und seinen medialen Übersetzungen – schöpfen, es verdichten und dabei sich ins Endlose fortschreibende (Denk-)Räume erschaffen.
Im Werk Claudia Larchers werden Räume rekonstruiert, dynamisiert, erinnert. Larchers Videoarbeiten lassen sich als Auslotungen von Lebensräumen verstehen, allerdings weniger in Form von realen Orten als vielmehr von „Topoi“ im Sinne kulturell überformter Sichtweisen. Ihre Analysen sind mithin Erkundungen von Räumen und deren medialen Repräsentationen, Nachzeichnungen dessen, was diese in uns auszulösen vermögen. Im Video Baumeister (2012) tastet die Kamera technoide Infrastrukturen ab, architektonischen Formen wird filmisch nachgespürt. Hier ist es die Spirale, die einem Bauwerk – dem von Gustav Peichl zu Beginn der 1970er-Jahre konzipierten ORF-Studio Dornbirn – symbolisch zugrunde liegt; die begleitende Geräuschkulisse weckt Assoziationen an schwerelose Weltraumvisionen: Unklar ist, wer in Bewegung ist, der Raum oder wir als BetrachterInnen. Auch im Film Collapsing MIES (2018) erscheinen in Bewegung gebrachte Bildfragmente als vertraute Ansicht und Täuschung gleichermaßen, als transparentes Panorama und Dickicht: Fotofragmente aus Architekturzeitschriften verweisen allesamt auf Bauwerke Mies van der Rohes, dessen formreduzierte, auf Funktion bedachte Architektursprache mit den Mitteln der Montage seziert und einer näheren Betrachtung unterzogen wird. In SELF (2015) sehen wir schließlich Aufnahmen von Körpern, fährt das Kameraauge in Nahaufnahme über menschliche Hautareale: Bilder, die an Maria Lassnigs experimentellen Film Iris (1971) erinnern mögen, in dem ein weiblicher Körper sich in der Projektionsfläche verschiedener Spiegel verflüssigt und grotesk anmutende Fleischformationen aufeinandertreffen. Bei Larcher ist es allein die Tonspur, sind es Körpergeräusche, die noch von jemandes Präsenz erzählen. Die Haut als Körpergrenze verschwimmt auch hier zur surrealen Landschaft.
Shadow in the Cube nennt Klaus Pamminger seine eigens für diese Ausstellung konzipierte Installation aus filmischen, fotografischen und skulpturalen Collagen, deren Gerüst einen, dem gesamten Galerieraum eingeschriebenen illusionistischen Schattenwurf bildet. Dieser durchschneidet den White Cube, der hier zum begehbaren Vexierbild wird. Die im Ausstellungsraum zu sehende Skulptur Stiegenhaus, 11 Square Albin Cachot, 75013 Paris-13E / RC01-BDJ (2018) markiert den höchstmöglichen Grad an Abstraktion räumlicher Strukturen bei gleichzeitiger Verräumlichung einer Fiktion: Was wir sehen, sind Konstruktionslinien, die Pamminger dem Film Belle de Jour (1967) entnommen hat; jenem Treppenaufgang entsprungen, den Séverine Sérizy (Catherine Deneuve) emporsteigt, um ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen: In den korrespondierenden filmischen Arbeiten werden sie zum Signal eines strukturellen Bruchs. Auf sinnlicher Ebene entsprechen die konkrete Haptik und das Farbenspiel der Wandskulptur dem hörbaren Klacken von Séverines Schuhabsätzen. In Pammingers Videoarbeit bietet dieser Sound, den optisch schließlich nur mehr weißer Leerraum begleitet, die einzig mögliche Orientierung. Die 2007 begonnenen Fotointarsien lassen die Grenzen zwischen realem Abbild und fiktiver Oberfläche verschwimmen. Mit dem Begriff der Intarsie werden üblicherweise Einlegearbeiten assoziiert; bei Pamminger sind es mediale Versatzstücke, die sich in den Raum einschreiben, Bildfragmente aus Kinofilmen etwa, die der Künstler in Fotografien seines Wohnraums collagiert. Dabei entstehen stark verdichtete Bildräume, die unterschiedliche Zeiträume in eins setzen. Auch in der Videoarbeit Mackey vs. Film (2013) besiedeln einander unterschiedliche raumzeitliche Realitäten: die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs, wie Gone with the Wind (1939) sie transportiert, jene des Nationalsozialismus mit Gustav Ucickys Film Mutterliebe (1939), der Wien zum Schauplatz hat, und die konkrete Zeit von Pammingers Filmaufnahmen im ebenfalls 1939 realisierten Mackey Apartment House. Die Person seines in Wien geborenen Architekten Rudolph M. Schindler – dessen Imagination könnte man sagen – bildet das (historische) Scharnier. Im selben Jahr, als in Wien der propagandistische Film Mutterliebe gedreht wurde, könnte Schindler Gone with the Wind gesehen haben: Bei Pamminger ist es die Gleichzeitigkeit nicht zeitgleicher kultureller Formationen, deren Sichtbarmachung lineare Erzählweisen hinter sich lässt.
(textliche Betreuung: Katharina Manojlović)
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INFORMATION
Renate Bertlmann wird als erste österreichische Künstlerin bei der 58. Biennale Venedig 2019 den Österreich-Pavillon mit einer Einzelpräsentation bespielen!
Wir freuen uns und gratulieren sehr herzlich!
Renate Bertlmann in der FOTOGALERIE WIEN /
Kunstaustausch FOTOGALERIE WIEN:
1983 Neue Fotografie aus Wien
1985 Wiener Fotografie – Subjektives
1994 Der Molussische Torso (Projekt: Palme/ Richtex)
2002 Werkschau VII: Renate Bertlmann – Arbeiten von 1976–2002
2003 Austrian Photography – Korrelationen:
Northern Photographic Centre, Oulu und Peri, Centre of Photography, Turku, Finnland
2008 Themenschwerpunkt Liebe, Teil III – Scheitern
2008 Werkschau XIII: Intakt – die Pionierinnen