Eröffnung: Montag, 7. April 2014, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Melanie Ender und Julian Tapprich
Ausstellungsdauer: 8. April–3. Mai 2014
sponsored by: BMUKK; MA7-Kultur; Cyberlab
In der Ausstellung Berühren Sie nicht den Fluchtpunkt zeigen fünf Künstlerinnen Foto- und Videoarbeiten, in denen sie Bildlandschaften erfinden, die die Wahrnehmung in eine neue Richtung lenken. Die Auseinandersetzung mit Sprache, Text, Textbildern sowie mit Bildinformationen spielt hier eine große Rolle. In ihren Arbeiten zwischen Realität und Fiktion setzen die Künstlerinnen (selbst)bewusst und ohne dramaturgische Höhenflüge spröde Dialoge und Sprachkonstruktionen, User-Manuals, Codes und Bildfehler ein. Es eröffnet sich eine fremde Welt, die zunächst schwer zugänglich erscheint: Hier begegnen wir schattenhaften Strandgängern, dem erodierenden Großglockner oder kryptischen Text-Bild-Landschaften. Es sind Welten, in denen andere Regeln und Zeichen gelten, die aber durch die ihnen innewohnende Poesie Assoziationen eröffnen.
Julie Gufler wurde 1983 in Kopenhagen geboren; sie lebt dort sowie in Hamburg. Die Künstlerin und Schriftstellerin arbeitet auch im bildnerisch-künstlerischen Bereich mit Text und Sprache und untersucht deren Potential sowie die „Bilder“, die aus Texten entstehen können. Sie zeigt die Videoarbeiten Ökonomie des Gesichts und There is a Tension in This Connecting String, für die sie Texte animiert hat, die zum Muster, zum Bild werden. In dem Video Eine Ökonomie des Gesichts entstehen die einzeln animierten Wörter nur langsam, die Sätze bilden sich entgegen der normalen Schreibrichtung von oben nach unten, verwirren sich und sind für die BetrachterInnen nicht mehr lesbar. Der Inhalt ist irritierend, es handelt sich um eine Anleitung, in der Technik des Origami aus seinem Gesicht einen Kranich zu falten – eine Auseinandersetzung mit dem Genre Porträt, ein weiteres Thema ihrer künstlerischen Beschäftigung.
Annja Krautgasser, geboren 1971 in Hall in Tirol, lebt und arbeitet in Wien. Sie präsentiert zwei Videoarbeiten. Zandvoort ist an der dortigen Atlantikküste in den Niederlanden entstanden. Hier ist die Kamera statisch auf eine Strand-Landschaft gerichtet, wo sich kleine „Geschichten“ ereignen. Stecknadelgroße, schattenhafte Protagonisten bewegen sich in unterschiedlichen Rhythmen über den Strand, erscheinen und verschwinden wieder; es bleibt unsicher, was real, was fiktiv ist. Das 13-minütige Video zeigt einen Tagesablauf im Zeitraffer und wirkt trotzdem ruhig und beinahe meditativ. Der aus Naturgeräuschen bestehende Sound ist dagegen nicht bearbeitet. Wie Zandvoort ist auch Prelude eine Auseinandersetzung mit Raum; es werden ebenfalls Personen, hier Spaziergänger, aus der Ferne beobachtet; der Raum ist abstrakt gehalten und entsteht nur durch die Bewegungen der Menschen.
Simona Obholzer, geboren 1982 in Tirol, lebt und arbeitet in Wien. Ihre tonlose, ca. fünfminütige Videoarbeit 6:00-8:00 (der Titel bezieht sich auf die Tageszeit der Aufnahme) zeigt, wie sich in Wellenbewegung versetztes Wasser in den Begrenzungen eines Schwimmbadbeckens verhält. In unterschiedlichen Einstellungen wird das Verhältnis von Wasser, Bewegung und Technik untersucht. Durch die gewählten Ausschnitte und die fehlenden Badegäste entstehen ins Abstrakte reichende Bilder. Die rhythmisierende Bewegung des Wassers geht wie ein Atemzug auf und ab, vor und zurück. Im Gegensatz zu der als meditativ und sinnlich zu beschreibenden Wirkung der Bewegung ist das Konkrete der Beckenarchitektur stets im Bild vertreten. Die Arbeit eröffnet Assoziationen, Erwartungen und Fragen, vor allem in Bezug auf das, was sie als abwesend andeutet, wie den Ton, ohne Antworten zu geben.
Almut Rink, wurde 1971 in Erfurt/Deutschland geboren und lebt in Wien. Für die Ausstellung in der FOTOGALERIE WIEN hat sie eine Rauminstallation konzipiert, die sie aus der Videoarbeit Reverse Engineering entwickelt hat. Für das Video hat sie sich mittels 3 D-Software auf eine „Forschungsreise“ in Computerlandschaften begeben. Ausgehend von der Strategie eines „Cocooning“, das die Reise am Screen einschließt, zitiert und transformiert Rink hier die Bildschirmsprache eines Landschafts-Rendering-Programms. Die darin enthaltene Sprache und Struktur wird seziert: Natur als Denkraum und Projektion. In diesem „Tutorial“ werden die Parameter dieses digitalen Naturraums untersucht. Texte eines 3 D-Benutzerhandbuches, einer Psychologie der Migration und eigene Kommentare werden verschränkt – eine kontinuierliche, ununterbrochene Erzählung in der Ersten Person. Am Ende beginnt die gerade generierte Landschaft/ Identität zu erodieren.
Patrizia Wiesner-Ledermann wurde 1981 geboren und lebt in Wien. Sie zeigt Fotoarbeiten aus den Serien Words may change your image (2008) sowie Your image is a code (2009), in denen sie sich mit dem Verhältnis von Bildwahrnehmung und Schrift auseinandersetzt. Fotografien von Landschaften werden mit Texten überzogen, die als Inhalt den digitalen Text-Code des jeweiligen Fotos haben. Hierbei geht es um die Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass sich ein Bild zwar beschreiben, jedoch nicht adäquat in Begriffe übersetzen lässt, weshalb die Bezugsformen des Sehens in Bildern und das Erfahren in Begriffen immer in visueller Abgrenzung zueinander dargestellt werden. Wird der Code der Fotografie zum sichtbaren Bestandteil der abgebildeten Landschaft, so treffen sich Text und Bild in einem Feld. Dies führt zu einer veränderten Wahrnehmung, da der Text das Bildmotiv weitgehend verdeckt und sich die Entzifferung des Codes im Detail der Zeichen verliert.
Petra Noll, Melanie Ender und Julian Tapprich für die FOTOGALERIE WIEN