Künstlerische Fotografie aus Österreich: Sechs Positionen
Ausgangspunkt der Arbeit Herbarium von Susanne Gamauf ist die Anlehnung an Strategien des botanischen Sammelns und Zusammentragens, des Arrangierens von Informationen in Form von „Belegen“. Nur geht es nicht um botanisch-wissenschaftliche Aufarbeitung, sondern um das Interesse an Form, Farben, Strukturen und der Konfrontation des fotografischen Moments mit den abtastenden Blicken in der Zeichnung. „Ich zerlege, zerstückle, demontiere, taste mich an den freigelegten Informationsteilen entlang und arrangiere sie am Blatt. Die Lust an der künstlerischen Entdeckung, Auswertung und Verwendung überlagert sich mit wissenschaftlichen Sammelschemata.“
Maria Hahnenkamp spürt der ambivalenten Bestimmung des „Weiblichen“ in deren symptomatischer Alltäglichkeit nach. Mit ihrer methodischen Bezugnahme auf fotografische oder filmische Verfahren wie Projektion, (serielle) Wiederholung, Fragmentierung, Ausschnitt, Montage, Überlagerung, Index, Positiv und Negativ, macht sie nachvollziehbar, welches transformatorische und auch agressive Potential in den (unbewußten) imaginären Prozessen liegt. Es gelingt ihr, dieses Transformatorische als Abstraktionsvorgang zu vermitteln und zugleich am realen, materiellen Objekt festzumachen. Ein fotografisches Abbild eines Stücks drapierten Stoffs, die abgeschabte Oberfläche einer Fotografie oder Bildfragmente, die durch Nähmaschinennähte neu zusammengesetzt wurden, sind Indexe eines physischen Kontakts mit dem Körper und repräsentieren diesen zugleich in einer sich ständig verschiebenden projektiven Form (aus: Silvia Eiblmayr, „Zur Dialektik der Methodischen Wahrnehmung bei Maria Hahnenkamp“, Katalog Maria Hahnenkamp, Wien/Salzburg 1996)
Dieter Hubers Klone sind am Computer generierte Fotoarbeiten. Seine Simulationen wirken emblamatisch, auch wenn ihr Sinn verloren gegangen zu sein scheint. Da die Schrift fehlt, ist man versucht, das Bild in doppeltem Sinn zu lesen: einmal als Zusammensetzung von Zeichen, zum anderen als ganzes, in sich geschlossenes Objekt, dessen Zuordnung jedoch rätselhaft bleibt. Auch sind diese „Stilleben“ nicht mehr – wie ihre Vorläufer in der Kunstgeschichte – Spiegel einer vollkommenen, d. h. dem menschlichen Geist angemessenen Ordnung der Natur, sondern Ausdruck einer offensichtlichen Unordnung, die sich paradoxerweise als vollkommen geordnet zeigt (aus: Bernd Schulz, „Alles nur Berechnung: Zu den Arbeiten von Dieter Huber“). Peter Weiermair, Direktor des Rupertinums in Salzburg, schreibt in „Visionen einer anderen, möglichen Welt“: „Kein Künstler hat in der aktuellen Kunst mit Hilfe der avancierten Technik der computergenerierten Photographie moralische, ästhetische, wissenschaftliche und auch religiöse Aspekte der Veränderung unserer „Natur“ in derart subtiler wie auch drastischer Weise vor Augen geführt.“
Michael Michlmayr über seine Arbeit Finestra: Finestra resultiert aus der Intention, den Sucher des Fotoapparates, der ja normalerweise nur das eingrenzende Fenster ist, durch das jeder Fotograf hindurchblicken muß, ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Dieses Sucher-Bild zeigt immer nur einen ausgewählten Teil einer ganzen Szene, und so kombiniere ich das Detail mit einer zusätzlichen Ebene: jener, die im rechten Winkel zum Bild selbst liegt. Die Sujets behandeln hauptsächlich die Faktoren Zeit, Licht und Form – die Basis der Fotografie. (Michael Michlmayr / Juni 1998)
Klaus Pammingers Arbeiten beschäftigen sich mit der Hinterfragung konventionell gewordener Seh- u. Wahrnehmungsgewohnheiten. „Was bedeuten die Bilder, die die Dinge des Alltaglebens in ihrer Plaziertheit evozieren, und wie können Wahrnehmungen initiiert und verschärft werden? […] BesucherInnen seiner skulpturalen Inszenierungen sind zugleich TeilnehmerInnen am räumlichen Ausstellungsablauf wie auch an der künstlerischen Werkinszenierung. Zeit- und Raumgrenzen werden aufgehoben.“ (Sabine Schaschl) Stella Rollig in ihrer Eröffnungsrede zu out of standby: „… Die Idee der Simulation, daß eigentlich im medialen Zeitalter zwischen unserer Erfahrung der Welt immer eine Zwischenschicht eingezogen ist, daß wir die Welt eigentlich als ihr Abbild erleben, […] ist, womit sich Pamminger schon seit Jahren beschäftigt. […] Ich glaube, daß da zwei analytische und strategische Methoden, die in der Kunst heute ergiebig scheinen, zusammengeführt werden. Das eine ist die Frage nach dem Ort der Kunst. Der White Cube – also der Ausstellungsraum – gegenüber den Orten, den Versuchen, Kunst mitten im Leben zu plazieren […]“ (aus: Eröffnungsrede der Ausstellung out of standby im Ausstellungsraum Westbahnstraße, Wien 1998, von Stella Rollig, Eikon 26/27, 1998–1999, S. 53)
Wie Susan Sonntag dargelegt hat, definiert der Mensch in der industrialisierten Welt seine Existenz via Bildern, die Bestandteile der Wirklichkeit werden, während primitive Völker Angst haben, fotografiert zu werden, da ihnen ihrer Meinung nach dabei ein Teil ihres Selbst und damit ihrer Wirklichkeit genommen wird. In unserem Kulturkreis hingegen brauchen wir eine Fülle von fotografierten Bildern, die uns alle zusammen einen Beweis unseres Daseins liefern. Wenn Robert Zahornicky mittels des Kinderspielmaterials „Slime“ Portraitfotos herstellt, holt er damit gleichsam zu einem Schlag gegen unsere Bildergläubigkeit und gegen den Wunsch nach dem schönen Schein aus. Der Vergänglichkeit von Bildern entspricht die materielle Vergänglichkeit der „Species“, die lediglich für einen kurzen Zeitraum existieren, bevor sich ihre Materialität auflöst. Das Foto eines jeweiligen Zustandes (der von „Slime“ bedeckten und überarbeiteten Gesichter) liefert somit auch nur ein Bild eines überarbeiteten Bildes, dessen Ewigkeitsanspruch per se nutzlos erscheint. Der schelmenhafte Umgang mit dem farbenprächtigen Spielzeugmaterial stellt sofort die Ernsthaftigkeit der Bildbetrachtung in Frage (aus: Sabine Schaschl, „Species“ 1999).