Vier Schwerpunkt-Ausstellungen widmete die FOTOGALERIE WIEN 2001 dem Tier. Die künstlerischen Positionen, die unter dem Titel Animal I–IV vorgestellt wurden, tragen den herrschenden Tierbildern aufmerksam Rechnung. Manche der Arbeiten greifen diese populären Bilder auf und hinterfragen sie. Manche sind Auseinandersetzungen mit der Zwiespältigkeit des menschlichen Blicks auf das Tier. Dieser Blick scheidet zwei Welten. Auf der einen Seite steht die Streichel- und Kuschelwelt, die sich in der Verhäuslichung und Emotionalisierung tierischer Bilder ausdrückt. Auf der anderen Seite liegt Ausschluss, Leiden und schließliche Massentötung von Tieren. Das Kuscheltier in der Sofaecke schaut uns an, der Blick jender Tiere, die im industriellen Komplex verschwinden, bleibt unerwidert.
In der Ausstellung Animal I stellen Alexandra Schlag und Ingeborg Strobl aus.
Ingeborg Strobl – „Das geht auf keine Kuhhaut“: Gedanken zur Installation, 2000: leere Wände – statt dessen das Zitat einer wohnlichen Atmosphäre mit Polstermöbeln und Couchtisch. Zusätzlich sind auf den Sitzmöbeln üppig Pölster drapiert, mit Stoffen diverser Tiermotive bunt und fröhlich überzogen. Das Zentrum der Installation besteht aus einem Stapel einer 16-Seiten- Broschüre auf dem Tischchen – zur freien und kostenlosen Entnahme. Das Cover lockt mit einer barbusigen Dame in Pelz, der Griff nach dem Heft ist angenehm und fällt leicht. Der Inhalt der Broschüre allerdings – ein anderes Kapitel. Es wird der übliche und üble Umgang des Menschen mit dem Tier in extremen Ausformungen thematisiert, einerseits Verniedlichung, Verharmlosung und Verdinglichung, andererseits das Nutztier, ein Wirtschaftsfaktor und Gegenstand von Profitmaximierung. Das eigentliche Wesen des Tieres bleibt unbeachtet. Respekt vor dem Anderen, Wahrung seiner Eigenständigkeit und Rücksichtnahme zeigen sich im Umgang des Menschen mit dem Tier nur selten – die zärtliche und die mißachtende Grausamkeit sind das Alltägliche.
Alexandra Schlag – Fotomumien – Hüllen – Fliegen, Motten.
Die Motive der Fotoarbeiten sind tote Tiere. Thematisiert werden drei grundsätzlich verschiedene Aspekte von „tot“. Einerseits Tiere im Prozess der Verwesung, die nicht durch den Menschen zu Tode kamen, Momentaufnahmen von organischer Veränderung. Andererseits Tiere, die bewusst getötet – in diesem Fall gejagt – wurden, um als Objekte gesammelt und ausgestellt weiter zu existieren. Weiters zeigt die dritte Gruppe Fotos von toten Insekten, deren Anblick nur in seltensten Fällen mit Tiermord assoziiert wird.
Fotomumien: Durch die Fotografie besteht die Möglichkeit, das Fortschreiten der Verwesung anzuhalten, den Kadaver einzufrieren, zu konservieren und dadurch dem toten Tier Achtung zu erweisen.
Hüllen: Die Bilder zeigen künstlich haltbar gemachte Häute im Tiefspeicher des Naturhistorischen Museums in Wien – fertig präpariert zur eventuellen Weiterverarbeitung zu Stopfpräparaten. Die Bildausschnitte vermitteln das dichte Nebeneinander unterschiedlichster Tiergattungen – systematisiert und auf ihre Materialität reduziert.
Fliegen, Motten: Insektenfallen, Klebestreifen als Tötungsmaschinerie – die Notwendigkeit oder die Lust am Töten. Eine Dokumentation der Opfer, der erstarrten, ausgetrockneten Körper, die langsam zu Staub zerfallen. Ein Schlachtfeld im Krieg zwischen Mensch und Tier.
Die Tiere erhalten durch diesen Blick, diese Form der Dokumentation die Aura des Lebenden zurück – eine wesentliche Motivation und Faszination für die Fotografin. (Alexandra Schlag)