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REALITÄTEN II

Gesellschaftswerte

30. August 2005 – 28. September 2005

Iris Andraschek (AT), Tina Bara (DE), Nina Bauer (AT), Oriana Fox (US), Per Hüttner (SE), Sabine Jelinek (AT), Franz Kapfer (AT), Martin Krenn (AT), Lisl Ponger (AT), Marika Seidler (DK), Soody Sharifi (US), Tim Sharp (SC), Jasmin Trabichler (AT), Alba D’Urbano (IT)

Kataloge | Schwerpunkt: REALITÄTEN 2005

Mit gesellschaftlicher Werteproduktion beschäftigt sich die zweite Ausstellung des diesjährigen Schwerpunkts Realitäten, der FOTOGALERIE WIEN.
Werte sind wandelbare Eigenschaften innerhalb eines Sozialsystems. Woraus wird ein Wertesystem gespeist, innerhalb welcher tradierten und neu definierten, neu kreierten Werte bewegen wir uns?
Insgesamt 14 KünstlerInnen aus dem In- und Ausland wurden zu dieser Ausstellung eingeladen und gehen auf unterschiedlichste Weise diesen Fragen nach.

Zusammengehörigkeit und Identitätsmechanismen werden seit Jahrhunderten während diverser Festivitäten konstruiert. Iris Andraschek führt uns mit ihren Zeichnungen und Fotografien The passion of the real in ländliches Feld. Die vielzitierte Idylle des Ländlichen findet sich in ihrer Arbeit nicht. Stattdessen sind Menschen zu sehen, die sich bei diversen Festen Rollen zulegen wie aus einem Versandhauskatalog.

Tina Bara und Alba D’Urbano zeigen in ihren großformatigen Portraitfotografien Schwimmerinnen die im Zeitraum der 1950er- bis 1970er-Jahre in der DDR erfolgreiche, damals sehr junge Leistungssportlerinnen waren. Siegerehrungen thematisiert nicht nur das Phänomen der Körperpolitik, die in unserem komplexen politischen und wirtschaftlichen System einen wichtigen Stellenwert einnimmt, sondern auch das identitätsstiftende Rezept von Sport, Leistungsschau und Erfolg.

Auch Oriana Fox geht es in ihren Videos Our Bodies, Ourselves und Tales of Narcissus um Körperpolitik, sexuelle Rechte und Freiheiten. Fox lässt feministische Körpertheorien der 1970er-Jahre in Form der populären Fernsehserie „Sex and the City“ Revue passieren. Sie kombiniert feministische Kunstproduktion von Judy Chicago und Hannah Wilke mit aktueller medialer Repräsentation von Frau.

Den Ausstieg vom Wertekanon einer eurozentristischen Weltsicht lässt Per Hüttner in seiner inszenierten Fotografie anklingen. Der Künstler stellt sich als Projektionsfläche zur Verfügung und spricht damit die Ängste vor Einsamkeit oder die Überforderung des Einzelnen, in einer „anything goes“-Gesellschaft an.

Feldforschung der anderen Art betreibt auch Sabine Jelinek mit ihren Videoarbeiten Aponia und Spaß nach Anleitung. Sie begibt sich damit auf die Spuren des winterlichen Tourismus, der sogenannten Freizeitgestaltung. Jelinek zeigt, welche Formen die „Jagd nach Glück“ annehmen kann und unterstreicht den Kontrast zu dem eigentlichen Ziel der Wohlstandsgesellschaft, nämlich frei und individuell zu sein.

Franz Kapfer reflektiert in seinen Arbeiten Zentaur und Rom 2003 die Situation des Vater-Seins, die Definition von Familie und spielt auch auf die wertekonservative Haltung speziell christlich dominierter Gesellschaften an. Dafür stülpt er sich die Hülle des Zentauren – der Verkörperung des Lehrenden, Gesetzlosen und des Künstlers – über, um zu seiner Tochter Kontakt aufzunehmen: „Höre, höre Tochter, alles ist Lüge“, sagt Kapfer und kündigt das Scheitern der elterlichen Bestimmungen an.

Ein Punkt innerhalb eines Wertekanons westlicher Demokratien ist die Achtung und der Schutz der Person und deren Eigentum. In Martin Krenns Beitrag geht es um die Missachtung dieses Wertes. Er erarbeitet in seiner 2005 begonnenen Fotoserie Lost History Today Geschichte dort, wo sie gelöscht oder vergessen wird. Er fotografiert Orte der „Arisierung“ und Restitution in Wien, München und Berlin. Die Normalität, mit welcher diese Orte ihrer Geschichte beraubt werden, zeigt auf, wie Geschichtskonstruktion und die systematische Verdrängung von „Arisierung“ und Restitution seit 45 in das Heute wirken.

Wie eine Gesellschaft zu ihren Bildern und über diese zu ihrer Identität kommt, zeigen Lisl Ponger und Tim Sharp in ihrem CD-R Projekt ImagiNative, Recherche als künstlerische Strategie. Darin wird eine Geschichte der künstlerischen Aneignung des Exotischen, das nie im eigenen Land oder dem eigenen Selbst gesucht wurde, recherchiert.

Individuelle Freiheiten von Frauen zwischen Wunsch und Realität in Syrien und dem Libanon beschreibt Marika Seidler in ihren Videoprojekten. Imagine dokumentiert Frauen-Fantasien von nicht existierenden Plätzen. Dabei geht es ihr um die imaginative Vorstellungskraft eines anderen Ortes als dem des real existierenden, den die Frauen in politisch untragbaren Situationen neben ihren aktiven politischen Handlungen auch einzusetzen verstehen.

Um kulturelle und religiöse Werte geht es in Soody Sharifis Fotografien Moslim Teenagers. Sharifi interessiert das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne des islamischen Alltags, der Einfluss des Westens und der Bruch mit tradierten Medienbildern von moslemischen Frauen, die es zu hinterfragen und zu durchbrechen gilt.

Mit dem Verhältnis Mensch und Arbeit beschäftigen sich Jasmin Trabichler und Nina Bauer in ihrem Projekt Auszeit – L’ emploi du temps. Identität und Entfremdung in der modernen Arbeitswelt – der Arbeitsplatz als Ort individueller und visueller Vereinheitlichung. Trabichler/Bauer erforschen die Spuren von Strategien, sich Rückzugsmöglichkeiten, private Nischen zu schaffen, den genormten Zeitplan zu durchbrechen.