Kurt Buchwald: Fotografieren verboten! Das in Berlin ansässige Amt für Wahrnehmungsstörung organisiert seit 1988 Maßnahmen gegen die Bilderflut. Ziel der Aktion „Fotografieren verboten!“ ist die Schaffung kamerafreier Zonen, in denen das Abbilden und Hantieren mit dem Fotoapparat unterbleibt. Zu diesem Zweck werden Verbotsschilder aufgestellt und Aussichtspunkte abgesperrt.
Am 30.05.1989 wurde vor der Weltzeituhr am Alexanderplatz in Ostberlin ein Schild „Fotografieren verboten!“ installiert. Die Volkspolizei, die das sah, forderte ohne zu zögern die Umstehenden auf, das Fotografieren einzustellen. Als die Ordnungshüter merkten, daß dies nicht staatlich organisiert war, wurde die Aktion abgebrochen und die TeilnehmerInnen der Polizeiwache zugeführt.
Nach dem Fall der Mauer reagierte die Polizei in Paris beim Versuch, ein Transparent „Fotografieren verboten!“ am Arc de Triomphe anzubringen, ähnlich scharf. Trotz dieser immer wieder auftretenden Behinderungen organisiert das Amt für Wahrnehmungsstörung jährlich in allen Teilen der Welt Aktionen gegen die Bilderflut.
Nachdem in Rom, Zürich, Bremen und New York, am Niagara Fall und am Polarkreis bei Oulu das Fotoverbot installiert wurde, sind am 1. April 1995 das Schloß Schönbrunn und die Wiener Innenstadt das Ziel.
Hubert Matt: Sympodiale Verzweigung VII, Realisation Wien/ FOTOGALERIE WIEN 1995
§ 1) Teilen Sie fünf Quadrate in den Farben Rot, Blau, Gelb, Schwarz, Transparent und in der Größe von 27 x 27 Zentimetern jeweils durch exakt eine Primzahl, von Eins beginnend, also durch 1/3/5/7 und 11. So erhalten Sie die 27 Schilder, die Sie für die Arbeit benötigen.
§2) Suchen Sie in Tages-, Wochen-, bzw. Monatszeitungen und -zeitschriften nach Fotografien, bzw. Abbildungen. Suchen Sie exakt 27 Bilder. Diese 27 Bilder sollen in 5 Gruppen zu je 1/3/5/7 und 11 Bildern unterteilt sein, die Sie den unterschiedlichen Farben zuteilen. Die Gruppenbildung kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, wichtig ist, daß eine solche Gruppenbildung sichtbar wird.
§3) Schaffen Sie mit einem oder mehreren Bildern einen Bezug zum jeweiligen Realisationsort der Sympodialen Verzweigung VII und einen Bezug zu anderen Arbeiten von Hubert Matt.
§4) Reflektieren Sie mittels der Bilder – auch – die Fotografie selbst. Schaffen Sie Bezüge der ausgewählten Bilder untereinander, lassen Sie die Bilder sich gegenseitig kommentieren und fokussieren, d.h. lenken Sie das Interesse bzw. die Bedeutung mittels Bildbezügen in einer Gruppe oder in mehreren Gruppen auf andere Fokussierungen und Bedeutungen als dies in den Medien geschieht, aus denen Sie das Bild entnehmen. Achten Sie bei der Auswahl der Bilder auch auf den Kontext im Medium, auf das Datum der Zeitung, etc.
§5) Legen Sie die Zeitungs- bzw. Zeitschriftenseiten mit den Bildern in einem Ordner ab, notieren Sie nur, wie in der Zitation üblich, den Ort des Bildes. Diese Angaben drucken oder gravieren Sie auf jeweils ein im §l beschriebenes Schild. Diese Schilder verteilen Sie in einem Raum nach Beliebigen, aber erkennbaren Gesetzmäßigkeiten. Verschweigen Sie allen RezipientInnen den Inhalt der Bilder.
§6) Bei der Montage der Schilder – in einem Galerieraum, einer Wohnung, einem öffentlichen Gebäude, etc. – können Sie die proportionale Größe der Bilder berücksichtigen, Sie müssen es aber nicht.
§7) Suchen Sie in mehreren Bildern einen Gegenstand, ein Detail. Versuchen Sie käuflich oder leihweise sich einen solchen – zumindest sehr ähnlichen – Gegenstand zu besorgen oder zu bauen, bzw. lassen Sie sich einen bauen. Plazieren Sie diesen Gegenstand im Raum in der Nähe des Schildes, welches auf das Bild verweist, aus welchem der Gegenstand herkommt. Dieser Paragraph 7 kann bei der Realisation der Sympodialen Verzweigung VII auch entfallen. Erwähnen Sie bei jeder Realisation den Realisationsort und den Künstler H.M., von welchem Sie bis auf Widerruf eine Genehmigung zur Realisation der Sympodialen Verzweigung VII benötigen.