Aussicht mit Zimmer. Die künstlerischen Arbeiten der Ausstellung verhandeln die Relation zwischen Innen- und Außenraum, architektonisch und psychisch. Der architektonische Raum versteht sich zunächst als stabiler Schutz- und Rückzugs-, aber auch Abschottungsort des Menschen vom Außen. Fenster, die für Licht und Luft sorgen und eine Blickbeziehung nach außen schaffen, erweitern das räumliche Potenzial. Oder aber es werden Ein- und Ausblicke mit Sichtschutzscheiben bewusst zurückgenommen. Die Grenze zwischen Innen und Außen ist frei verschiebbar. Naturräume öffnen den Blick in die Ferne, und bei einer emotionalen Berührtheit der Betrachter:innen vermögen sie, ein In-sich-Hineinsehen und ein Reflektieren über das Sein zu erwirken. Von der Außen- zur Innensicht. Der inverse Titel der Ausstellung deutet sowohl auf unkonventionelle künstlerische Zugehensweisen als auch auf besondere Wahrnehmungserlebnisse hin. Fragmentierung, Leere, Immaterialität, Unschärfe oder Verschiebung kennzeichnen die in den präsentierten Arbeiten thematisierten Räume. Es sind inhomogene Räume – und damit lebendige. Die gewonnenen Bilder sind meist abstrahiert, malerisch, ephemer. Realität und Fiktion vermischen sich, auch Licht und Farbe tun das Ihre dazu.
Das von Hélène Fauquet ausgestellte Foto stammt aus einer Serie mit Bildern von farbigen, dekorativen Bleiglasfenstern aus der Jugendstil- bzw. Art-Déco-Zeit. Diese wurden bearbeitet und mit UV-Licht auf dünne Holzplatten, deren Maserung und Asteinschlüsse beim Nähertreten durchscheinen, gedruckt. Es handelt sich um Sichtschutzfenster, die weder Ein- noch Ausblick gewähren. Sie stehen für den Rückzug in den privaten (Schutz-)Raum, der Öffentlichkeit und damit Kontrolle, aber auch sozialen Kontakt ausschließt. Auf Grund der opaken und durch changierende Farbtöne bestimmten Oberfläche der Bleiglasfenster, die die Räume in ein malerisches Licht tauchen, sowie durch die stark angeschnittenen Motive kommt es zu einer Verunklärung der Realität vor und hinter den Fenstern. Die Grenzen des Innen und Außen verschwinden. Durch die Tatsache, dass es sich nicht um echte, sondern um Fotos von Fenstern handelt, wird Sehen und Nicht-Sehen thematisiert.
Die künstlerische Arbeit von Liesbet Grupping basiert auf einer prozessualen Betrachtung von Dingen – Eindrücken, natürlichen und ephemeren Phänomenen sowie der daraus entstehenden Beobachtung. Hierdurch hinterfragt die Künstlerin die (inhärente) Fähigkeit (eines Bildes), eine bestimmte Realität und damit ein bestimmtes Verständnis hervorzurufen.Grupping konstruiert Bilder auf der Grundlage (etablierter) Konzepte und dekonstruktiver Methoden, in die das Unberechenbare und Subjektive eingreifen. Untitled (Beauregard) aus der Serie bleu, blue, blauw, blau, mėlyna, in der es um Zeit, Licht, Raum, Zufall und Interferenz geht, ist durch eine nächtliche Aufnahme des (blauen) Himmels entstanden – ein abstraktes, poetisches Foto, dessen tiefblaue Farbe das Ergebnis eines fotografischen Fehlers der Verfärbung ist, der durch eine zu lange Belichtungszeit verursacht wurde. Und die Fotos der Serie Alba, die Bergkämme und Hochebenen in den Alpen zeigen, verlieren durch die Überbelichtung des Himmels oder verschneite Flächen ihre üblichen Konturen. Fotografie kann sichtbar machen, was wir mit dem bloßen Auge nicht sehen.
Bernát Haupt präsentiert die 9-teilige Serie Photogon. Unter seinem vorübergehenden Zuhause in Tallinn in Estland befand sich eine höhlenartige Struktur, ein Ort ohne erkennbaren Zweck. An jedem Tag, an dem er diesem Raum „begegnete“, fühlte er sich für ihn anders an. Nicht die Wände hatten sich verändert, sondern der Wahrnehmende selbst. Um diese undefinierten Kontakte festzuhalten, strukturierte er den Raum neu, indem er acht Digitaldrucke der Serie mit weißem Garn benähte. Vom Menschen geschaffene Strukturen sollten stabil sein, ein Fixpunkt, auf den man sich immer verlassen kann. Der Drang, sich mit etwas Statischem verbunden zu fühlen, wird von der Sehnsucht angetrieben, sich nicht verloren zu fühlen. Die unbelebte Welt speichert die Erinnerung an das Lebendige. Das Wiederaufsuchen dieser Orte hilft uns, Veränderungen zu messen, und ermöglicht es uns, über uns selbst zu reflektieren.
Basierend auf der vorherrschenden kulturgeschichtlichen Erzählung über den österreichischen Bergort Semmering – dem einstigen mondänen Sommer- und Kurort des Wiener Bürgertums am Ende des 19. Jahrhunderts –, verwebt der Film Elements of a Landscape von Laura Nitsch und Barbara Juch fiktionales und dokumentarisches Material und verortet seine Geschichte im Jahr 2020. Im Mittelpunkt steht das Grandhotel Panhans. Bei einem Spaziergang durch das Hotel und die umliegende Landschaft folgen wir zwei Reiseführer:innen, die in kurzfristigen Saisonjobs arbeiten. Während wir ihren zunehmend unheimlichen Erzählungen lauschen, wird deutlich, dass die beiden Frauen mehr zu wissen scheinen, als sie wissen können, und dass sie Dinge zu kommentieren scheinen, die sie vielleicht nicht erwähnen dürfen. Der Film spielt mit der Verführungskraft der Reiseleitersprache und dem gemeinsamen Verständnis von der Landschaft, durch die wir uns bewegen, und stellt die Frage, wie eine so vielschichtige Topografie aufgebaut ist und was von ihren Elementen in naher Zukunft übrig bleiben wird.
Esra Oezens Raumverständnis basiert auf einer Affinität zu Leere, Wiederholung und scheinbarem Verschwinden. Wie ein Blick aus dem Fenster lässt sich ihr Foto Aufzeichnung verstehen. „Die Fotografie zeigt: Zwei Hände, die ein geöffnetes Buch halten. Auf den Buchseiten findet sich: der Abdruck eines Scans. Gescannt wurde: ein unbelichtetes, aber entwickeltes Negativ. Diese Reise durch verschiedene Medien, die mit einer darstellenden Fotografie beginnt und mit einer die Darstellung verweigernden Fotografie endet, sollte durch ihre vielen Zwischenstopps undurchdringlich wirken, doch das Ergebnis ist formal so klar und inhaltlich scheinbar so eindeutig, dass Betrachtende sich Zeit nehmen müssen, um überhaupt erst Fragen daran entwickeln zu können. Dermaßen unaufgeregt ist Esra Oezens Aufzeichnung, dass man Gefahr läuft, sie zu übersehen, obwohl sie viele Darstellungs- und Wahrnehmungsmodi in Frage stellt und zu deren Reflexion auffordert: die Intimität der dargestellten Situation, eindeutig für die Kamera erzeugt; die Bedeutungsschwere des gedruckten Buches, in dem sich dann nichts offenbart; der Abdruck eines Nicht-Geschehens (…).“ (Lino Heissenberg)
Kai Werner SchmidtsArbeiten der Werkreihe Squares bestehen jeweils aus einer Schwarz-Weiß-Kollage von Fotografien von nicht benannten, ausschnitthaft abgebildeten Bauwerken, die für ihn in Zusammenhang mit Macht stehen. Von der Serie hebt sich die Arbeit Squares VI ab, die im Gegensatz zu den anderen keine erkennbare Architektur zeigt. Hier hat sich Schmidt mit der Kamera auf die Bodenstrukturen von Wegen und Plätzen, die in Verbindung mit diversen (Macht-)Orten stehen, konzentriert und eine abstrakte Wirkung des Bildes erzielt. In der Aluminium-Rahmenkonstruktion befinden sich zwei Glasfragmente hinter Schutzglas. Das Glas tritt somit in einen Teil des Bildraumes sowie des Realraumes ein. Zu der Serie Squares hat Schmidt sich von einem speziellen (Macht-)Ort inspirieren lassen, einem historischen Gefängnis, in dessen Kirche kurz vor dem Umbau eine Kunstausstellung, an der Schmidt teilnahm, stattfand. Das Foto Promising, das Zweige eines Apfelbaumes zeigt, verbindet ideale Schönheit mit Vergänglichkeit. Es bezieht sich auf einen Briefwechsel mit einem ehemaligen Gefängnisinsassen.